Du bist dir inzwischen sicher, dass du eine Doktorarbeit machen möchtest? Und du bist dir auch darüber im Klaren, dass du einiges an Zeit und Aufwand reinstecken wirst? Dann ist es jetzt an der Zeit, die richtige, oder viel mehr die passende Arbeit zu finden.
Der typische Medizinstudent (die typischen Medizinstudentin verhält sich ganz ähnlich, wird deshalb heute der Einfachheit halber nicht extra erwähnt) beginnt bereits kurz nach dem Physikum mit der Suche nach einer geeigneten Doktorarbeit. Zu diesem Zeitpunkt ist ihm üblicherweise noch nicht klar, welchen Facharzt er einmal anstreben wird und natürlich hat er noch längst keinen eigenen Forschungsschwerpunkt herausgebildet.
Es ist also logisch, dass die meisten MedizinerInnen sich ihr Doktorarbeitsthema nicht selbst überlegen, sondern aus den angebotenen Arbeiten auswählen. Da ein großer Markt vorhanden ist, gibt es ein reichliches Angebot an unterschiedlichsten Arbeiten, die nur auf eine/n interessierte/n DoktorandIn warten.
Wo man Arbeiten findet
Doktorandengesuche werden von vielen Arbeitsgruppen an den verschiedenen schwarzen Brettern der medizinischen Fakultäten ausgehängt. Es lohnt sich sicher, immer mal wieder einen Blick darauf zu werfen, selbst wenn man nicht akut auf der Suche ist. Man bekommt einen guten Überblick über das Angebot und eine Einblick in die verschiedenen Erwartungshaltungen der Arbeitsgruppen. Zudem fallen einem auch die Namen auf, die man immer wieder sieht, die Namen, die mit den großen Arbeitsgruppen verbunden sind oder vielleicht eine großen Verschleiß an DoktorandInnen haben.
Einige Institute pflegen virtuelle schwarze Bretter auf ihren eigenen Homepages. Auch hier bekommt man einen guten Überblick, der zudem schon gefiltert ist nach Fachgebiet.
Natürlich werden bei weitem nicht alle Arbeiten öffentlich ausgeschrieben. Gerade beliebte Themen und Arbeitsgruppen können ihren Bedarf an DoktorandInnen allein durch Empfehlung decken. Also hör dich um. Sprich mit deinen KommilitonInnen, frag sie nach ihren Doktorarbeitserfahrungen. Was du hier zu hören bekommst, egal ob negativ oder positiv, ist weitaus informativer als es jeder Aushang sein könnte.
Aber ganz egal, wie du zuerst von einer Arbeit hörst, du wirst persönlichen Kontakt aufnehmen und dir selbst ein Urteil bilden müssen. Wenn du auf ein Gesuch antwortest, sind Kontaktdaten einer BetreuerIn oder gar der StudienleiterIn angegeben. Wenn du Interesse an einem speziellen Thema hast oder gar einen Doktorvater oder eine Doktormutter für ein eigenes Forschungsthema suchst, versuche dein Glück bei bekannten und weniger bekannten ProfessorInnen und PrivatdozentInnen des jeweiligen Gebietes. Es ist gut möglich, dass du so dein Wunschthema bearbeiten kannst, obwohl vor deiner Anfrage noch niemand daran gedacht hatte, dafür einen Doktoranden zu suchen.
Kennenlernphase
Du hast ein interessantes Thema gefunden? Du interessierst dich für eine konkrete Arbeitsgruppe? Dann mach einen Termin aus für ein persönliches Gespräch. Vorab liest du alles, was du über die spezifische Doktorandenstelle, über die Studie und über die Arbeitsgruppe herausfinden kannst und machst dir ausführliche Notizen. Was ist dir noch unklar? Welche Fragen tun sich auf? Was willst du unbedingt wissen? Trau dich Fragen zu stellen und auch nochmals nachzufragen, wenn die Antworten nicht ausführlich genug oder unbefriedigend sind.
Idealerweise lernst du gleich einige Mitglieder der Arbeitsgruppe kennen, vor allem die, mit denen du zu tun haben wirst. Du lässt dir deinen zukünftigen Arbeitsplatz zeigen und bekommst einen ersten Eindruck von der Organisation und den Abläufen.
Gerade bei Arbeiten, die in große Studien eingebettet sind, wo es mehrere Doktoranden gibt und vielleicht auch noch die ein oder andere Habilarbeit rausspringen soll, lohnt es sich, möglichst frühzeitig zu klären, wie das eigene Thema formuliert sein soll und in wie weit es sich von den anderen Themen abgrenzen lässt. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn zwar mehrere Doktoranden gesucht werden, es aber überhaupt noch keine abgrenzbaren Themen gibt. Hier liegt der Verdacht nahe, dass vor allem billige Arbeitskräfte gesucht werden.
Selbst bei Studien, die sich noch in der frühen Anfangsphase befinden, kannst und solltest du nach dem Zeitplan fragen. Du brauchst eine gewisse Grundlage, auf der du entscheiden kannst, ob die Arbeit überhaupt mit deiner Zeitplanung kompatibel ist. Berücksichtigen solltest du dabei auch, dass gerade experimentelle und klinische Arbeiten meist länger dauern als gedacht und dass immer etwas passieren kann, das zu einer ungeplanten Verzögerung führt. Erfahrene StudienleiterInnen haben einen Teil diese Verzögerungen in ihre Planungen bereits mit einbezogen, was auch dir die Planung einfacher macht.
Auch wenn du der einzige Doktorand sein sollst, kannst du schon vor Beginn erfragen, wieviel Zeit du einrechnen musst. Es geht dabei nicht um deine eigenen Vorbereitungs- oder Schreibzeit, sondern um die Dauer der von dir durchzuführenden Experimente oder Untersuchungen. Die Angaben sollten ziemlich konkret sein, alles andere lässt vermuten, dass die Organisation eher chaotisch ist und / oder der Doktorand für alle möglichen Aufgaben herangezogen werden soll.
Inhalt oder persönlicher Eindruck
Eine Doktorarbeit kann verschieden Funktionen erfüllen. Vielen geht es nur um den Titel; da sind Thema, Inhalt und Note völlig egal. Andere wollen durch die Doktorarbeit den Einstieg ins wissenschaftliche Arbeiten oder in ein spezielles Fachgebiet erreichen. Hier spielen das richtig Thema und der Typ der Arbeit (klinisch, experimentell, epidemiologisch oder statistisch, siehe hierzu den zweiten Teil der Serie „Dein Weg zum Doktortitel“) natürlich eine weitaus größere Rolle. Die sogenannten statistischen Arbeiten bieten sich wirklich nur für jemanden an, der möglichst zügig und von anderen unabhängig seinen Titel bekommen möchte, ohne Blick auf eine gute Note oder die Möglichkeit hochrangiger Publikationen.
Alle anderen sind sicherlich mit den aufwendigeren klinischen, experimentellen oder, bei Interesse, auch epidemiologischen Arbeiten besser bedient. Die Wahl des konkreten Themas sollte nur hier ebenfalls nicht überbewertet werden.
Natürlich sollte ein Doktorand eine gewisse Begeisterung und Motivation für sein Thema mitbringen. Aber das spannendste Thema hilft nicht weiter, wenn das Arbeitsklima vergiftet ist, die Betreuung zu wünschen übrig lässt und die Arbeit schlussendlich nicht fertigzustellen ist. Deshalb empfehle ich meinen Klienten, ihre Entscheidung für oder gegen eine Doktorarbeit vor allem vom persönliche Eindruck abhängig zu machen.
Was sagt dir deine Menschenkenntnis?
Wie ist der Umgangston?
Was spürst du, wenn du mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe umgehst?
Ist dir dein Betreuer sympathisch?
Findest du einen persönlichen Zugang zu ihm?
Du wirst viel Zeit mit diesen Menschen verbringen, gemeinsam Probleme lösen und auch schwierige Zeiten durchstehen müssen. Das klappt nur, wenn eine tragfähige Basis vorhanden ist.
Ethik und Gewissen
Neben dem menschlichen Eindruck spielt dein Gewissen ebenfalls eine wichtige Rolle. Natürlich müssen klinische und epidemiologische Studien ebenso wie viele experimentelle Untersuchungen vor Beginn von der zuständigen Ethikkommission begutachtet werden. Ein positives Ethikvotum kann dir allerdings deine eigene Gewissensentscheidung nicht abnehmen.
Kannst du es für dich verantworten Versuche mit Schweinen zu machen oder Mäuse zu töten? Findest du es in Ordnung, unbekannte Menschen telefonisch für eine Befragung zu kontaktieren oder gesunden Probanden Blut abzunehmen? Kannst du dir vorstellen an einer großen Datenbank voller genetischer Informationen mitzuarbeiten? Möchtest du Teile menschlicher Leichen präparieren?
Egal was es ist, überlege dir, ob und wie du damit zurecht kommen kannst. Und wenn es für dich ein Problem ist, spielt es keine Rolle, dass andere es tun und die Ethikkommission ihr OK gegeben hat.
Die Auswahl an möglichen Doktorarbeitsthemen ist groß.
Niemandem ist geholfen, wenn dir deine Arbeit schlaflose Nächte oder Alpträume bereitet.
Falls es so ist: Such dir eine andere Arbeit!
Eine bewusste Entscheidung treffen
Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Doktorarbeitsthema ist nicht einfach und benötigt etwas Zeit. Also lass dich nicht drängen und führe im Zweifelsfall weitere Gespräche, damit du deine Unsicherheiten ansprechen und ausräumen kannst.
Besser du nimmst dir vorher ausreichend Zeit und fühlst dich dann auch wirklich wohl mit deiner Entscheidung.
Eine gute Entscheidung sollte immer eine Kombination aus Ratio und Intuition sein. Wenn du Unterstützung bei einer anstehenden Entscheidung brauchen kannst, ist meine Entscheidungswerkstatt vielleicht genau das richtige für dich.
Nicht nur die Fakten sollten eine Rolle spielen, sondern auch die Empfindungen. Wie fühlt sich die Entscheidung an? Wie geht es dir beim Gedanken an das, was aus der Entscheidung folgt? Eine gute und stimmige Entscheidung wird später nicht so leicht in Zweigel gezogen.
Fazit
Als MedizinerIn kann man aus einer Vielzahl angebotener Arbeiten auswählen. Neben inhaltlichen Erwägungen sollten dabei aber auch der persönliche Eindruck, die eigenen Menschenkenntnis und nicht zuletzt das Gewissen eine Rolle spielen. Für eine bewusste Entscheidung für oder gegen eine Arbeit sollte man sich Zeit nehmen und gegebenenfalls auch mehrfach Gespräche führen, die man intensiv vorbereitet.
Dieser Artikel ist der dritte Teil meiner Serie zum Thema „Dein Weg zum Doktortitel“. Im ersten Teil „Einen Doktortitel? – Warum denn eigentlich?“ geht es darum, eine klare Entscheidung für oder gegen den Doktortitel zu treffen. Der zweite Teil der Serie „Einen „Dr. med.“bekommt man doch geschenkt – oder muss ich da doch mehr Aufwand reinstecken?“ beschäftigt sich mit den verschiedenen Typen von medizinischen Doktorarbeiten und dem Aufwand, den man in etwa dafür rechnen muss.
Nächsten Monat geht es erstmal weiter mit Zeit- bzw. Selbstmanagement und mit Tipps, wie du wirklich ins Tun kommst. Wenn du sicher stellen willst, meine nächsten Artikel nicht zu verpassen und außerdem auch immer zuerst über alle Termine informiert zu werden, melde dich doch für meinen Newsletter an.
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