Für die einen ist Schreiben das schönste Hobby und andere verdienen sogar ihren Lebensunterhalt damit. Wenn man aber etwas schreiben muss und keine Freude daran hat und auch kaum Erfahrung, dann kann Schreiben zu einer wahren Qual werden.
In manchen Studiengängen werden regelmäßig Hausarbeiten geschrieben, in anderen ist die Master- oder Diplomarbeit das erste relevante Schriftstück, das verfasst werden muss. Und wer einen Regelstudiengang Medizin absolviert hat und auch kein Tagebuch führt, so wie ich, der hat möglicherweise über viele Jahre gar keinen zusammenhängenden Text verfasst. Das soll aber kein Hindernis sein, dennoch schreiben zu lernen.
Warum es sich lohnt eine Schreibroutine zu etablieren
Schreiben ist tatsächlich überwiegend Handwerk und wenn die meistern vermutlich nicht die Fähigkeiten einer Bestseller-Autors mitbringen, so kann doch wirklich jeder schreiben lernen. Das ist ähnlich wie mit dem Laufen: die meisten Menschen können sich zu Fuß fortbewegen. Ohne Übung einen 10-Kilometer-Lauf zu machen, ist für die den Großteil allerdings eine unangenehme Herausforderung. Nach mehrwöchigem oder mehrmonatigem Training sieht das schon ganz anderes aus. Dann sind die 10 Kilometer sicherlich zu meistern.
Mit dem Schreiben ist es ganz ähnlich, es kommt auf die Übung an. Nur weil ich viel lese oder anderen Menschen beim Schreiben zusehe, werde ich selbst kein besserer Autor. Vom Ansehen der Leichtathletik Weltmeisterschaft werde ich schließlich auch nicht zum besseren Läufer.
Wenn ich weiß, worüber ich schreiben möchte, wenn ich für eine wissenschaftliche Arbeit z.B. meine Experimente oder Befragungen abgeschlossen habe, mit über die Ergebnisse ein Bild gemacht habe, meine Struktur erstellt habe und idealerweise auch noch fit bin im Umgang mit allen erforderlichen Programmen (siehe „Und jetzt nur noch zusammenschreiben“), dann geht es wirklich nur noch darum, alles was in meinem Kopf ist aufs Papier bzw. in das Textverarbeitungsprogramm zu bekommen.
An diesem Punkt sollte keine Arbeit mehr scheitern, in der Realität ist das Schreiben aber die Phase, in der die meisten Doktoranden hängen bleiben.
Wer sollte eine Schreibroutine etablieren?
Wissenschaftliche Texte zu verfassen ist für viele von uns ungewohnt, dennoch ist es nicht unbedingt erforderlich für das Aufbauen einer Schreibroutine nur eine Art von Text zu schreiben. Viel wichtiger ist die Regelmäßigkeit des Schreibens, beispielsweise beim Führen eines Tagebuchs.
Die Fähigkeit das Papier zu füllen, das ist es, was eine Schreibroutine in erster Linie bringt. Die Angst verlieren vor dem leeren Blatt. Wer eine halbwegs gute Schreibroutine aufgebaut hat, wird immer etwas zu Papier bringen, was auch gut genug ist, dass man damit weiterarbeiten kann.
Wer bereits sehr regelmäßig und routiniert schreibt, tut sich leichter auch eine Routine und Regelmäßigkeit in das wissenschaftliche Schreiben zu bekommen. Das bedeutet, dass jeder, der eine wissenschaftliche Arbeit, ein Buch oder auch nur eine Kurzgeschichte schreiben möchte, davon profitiert eine Schreibroutine zu entwickeln.
In Vorbereitung für die Doktorarbeit oder Abschlussarbeit kann das so aussehen, dass man zuerst beginnt regelmäßig zu schreiben, irgendwas, und im Verlauf den Fokus beim Schreiben auf die Arbeit legt. Wenn man mal in der Arbeit nicht richtig vorankommt, was aus verschiedenen Grünen passieren kann, schriebt man andere Dinge, bleibt in der Routine und findet dann auch wieder schnell ins wissenschaftliche Schreiben.
Wie kann man nun ganz praktisch eine Schreibroutine aufbauen? Was braucht man dafür? Welche Methoden gibt es?
Ganz allgemein ist es mit einer Schreibroutine wie mit allen Routinen. Es geht um Veränderung, um eine Umstellung im eigenen Tagesablauf bzw. Lebensstil, so wie bei einer Ernährungsumstellung oder bei der Aufnahme einer sportlichen Tätigkeit. Allerdings ist das Etablieren einer Schreibroutine in vielerlei Hinsicht einfacher, da im Rahmen einer Abschluss- oder Doktorarbeit das Ziel ganz konkret und greifbar ist und auch die notwendige Dauer absehbar. Wenn die Arbeit fertig ist, kann man sofort wieder aufhören zu Schreiben (oder kann es auch weiterführen) ohne den eigenen Zielen zu schaden.
Der erste Schritt: der feste Wille eine Routine zu etablieren. Du bist ein freier Mensch, du bist erwachsen, niemand wird dich zu etwas zwingen. Wenn du also Veränderung in deinem Leben möglich machen möchtest, wenn du dir ein neues Verhalten angewöhnen willst, wenn du bestimmte Routinen etablieren willst, dann wirst du selbst die Energie und die Überzeugung aufbringen müssen. Wenn es dir wichtig ist und du mit Überzeugung hinter deinem Tun stehst, dann kannst du erreichen, was du willst. Natürlich kannst du dabei aber auf die Erkenntnisse und Erfahrungen andere Menschen zurückgreifen und musst keinesfalls das Rad neu erfinden.
Fordere dich, aber bleib realistisch
Der wichtigste Grund, warum Menschen neue Routinen schnell wieder aufgeben oder erst gar nicht gänzlich in ihr Leben einführen, ist ihre eigenen Überforderung. Die Ziele sind zu hoch gesteckt, so dass sie nicht erreicht werden können, was dann schnell zu Frust und zum Aufgeben führt. Wenn du dir vornimmst jeden Morgen eine Stunde eher aufzustehen, um zu schreiben (wie es bei der Idee der „Morgenseiten“ gern empfohlen wird), du aber schon zu deiner regulären Aufstehzeit kaum aus dem Bett kommst, wenn du abends im Bett schreiben willst, aber so müde bist, dass du gleich einschläfst, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du recht schnell wieder aufgibst und unter Umständen ein Gefühl von „ich kann das einfach nicht“ bekommst.
Das muss aber nicht sein. Bleib realistisch. Sei ehrlich zu dir. Was kannst du wirklich schaffen? Dein Leben fordert dich eh schon und du hast nicht viele freien Kapazitäten. Also setz dir kleine Ziele. Jeden Tag fünf bis zehn Minuten in der Mittagspause, Samstag und Sonntag früh jeweils eine halbe Stunde, nachmittags beim Kaffee 15 Minuten…. Überleg dir, was wirklich realistisch ist. Natürlich wirst du iim Verlauf einer Doktorarbeit auch längere Zeitabschnitte am Stück schreiben müssen, für das Etablieren einer Schreibroutine ist das aber nicht unbedingt erforderlich. Viel wichtiger ist, dass du deine vorgegebene Zeit wirklich einhalten kannst, dass du dir die Zeit tatsächlich nehmen kannst. Mehr machen kannst du dann immer noch. Fürs erste geht es darum die Regelmäßigkeit hinzubekommen. Das ist schwierig genug, da muss sich niemand durch unrealistische Zielvorgaben weitere Steine in den Weg legen.
Der zweite Schritt: die regelmäßige Erinnerung. Wenn der Wille da ist und das Zeil gesetzt, geht es immer noch ums tatsächliche Tun. Hier gibt es verschiedenen Methoden, um sich zu erinnern. Manchen Menschen fällt es leichter, wenn sie sich einen festen Termin setzen, den sie dann in ihren Kalender eintragen oder für den sie einen Wecker stellen. Vielleicht ist es sogar ein Termin zur immer gleichen Zeit. Diese Regelmäßigkeit funktioniert tatsächlich für viele Menschen, weil sie sehr schnell von allein läuft: immer Montags um 17:00 Uhr gehe ich zum Yoga, immer um 19:00 Uhr gibt es Essen, immer um 7:00 Uhr schreibe ich eine Seite…
Was natürlich ebenso funktioniert, vor allem für Menschen mit unregelmäßigen Arbeitszeiten oder Tagesabläufen, ist das gezielte Planen: immer am Wochenanfang (oder an jedem Morgen) wird geplant und dann werden allen anstehenden Tätigkeiten Zeiten zugewiesen, so dass nichts vergessen werden kann. Arbeitszeiten, Sport, Ausgehen, Schreiben, alles findet seinen Platz im Kalender und wird dann Schritt für Schritt abgearbeitet. Diese Methode ist vor allem für sowieso schon sehr strukturierte Menschen geeignet, weil sie sehr stark davon abhängig ist, dass die Planung regelmäßig und gewissenhaft durchgeführt wird.
Wer flexibel sein möchte oder muss ohne allzu viel vorauszuplanen, kann von einer Trackingmethode profitieren, z.B. Im Sinne der Methode von Jerry Seinfeld (zumindest wird sie ihm zugeschrieben): Nimm dir einen Monatswandkalender und hänge ihn an eine Stelle, die du gut sehen kannst, die möglichst oft in deinem Blickfeld ist. Male einen Kreis oder ein Kreuz für jeden Tag, an dem du geschrieben hast mit einem möglichst auffälligen farbigen Stift. Wenn du ein paar Tage hintereinander markiert hast, ergibt sich eine ununterbrochene Kette von Kreisen oder Kreuze, die dir schön zeigt, was du geleistet hast. Und wenn du mal keine Lust hast und unmotiviert bis, wird ein Blick auf diese Kette dazu führen, dass du dir mindestens zweimal überlegst, ob du sie jetzt wirklich unterbrechen willst…
Natürlich kannst du auch auf andere Art dein Tracking machen, z.B in einem digitalen Kalender oder einem Notizbuch. Achte nur darauf, dass es präsent bleibt für dich. Tracking funktioniert als Motivator nur dann gut, wenn man regelmäßig sieht, wie der Stand ist.
Ganz wichtig: auch wenn du mal nichts geschrieben hast über mehrere Tage oder sogar Wochen, ist das keine Drama, es ist kein Scheitern. Du kannst einfach wieder einsteigen und weitermachen. Du musst niemandem etwas beweisen, hauptsächlich geht es doch darum, dass du für dich eine Routine entwickelst, weil du deine Arbeit fertig bekommen möchtest, und das möglichst unkompliziert und zügig.
Natürlich reicht eine Schreibroutine allein nicht aus, um wirklich eine Doktorarbeit zu schreiben, aber sie beseitigt eine der größten Hürden auf dem Weg dorthin. Wenn du Unterstützung bei der Etablierung einer Schreibroutine hast bin auch auch gern für dich da und unterstütze dich. Vielleicht ist mein Wissenschaftscoaching genau das richtige für dich.