Eigentlich sollte es ein oder sogar DER Höhepunkt einer Forschungsarbeit sein: die Vorstellung der eigenen Arbeit auf einem medizinischen Fachkongress. Gerade wenn es aber der erste Kongress ist, ist dieses Erlebnis vielleicht doch nicht (nur) mit Vorfreude und einem Hochgefühl verbunden, sondern vielmehr mit Unsicherheit oder sogar einer gewissen Angst.

In den meisten Fällen wird man vor dem eigentlichen Kongressbesuch einen Abstract, also eine kurze standardisierte Zusammenfassung zu einem konkreten Aspekt der eigenen Forschungsarbeit eingereicht haben. Üblicherweise passiert das Monate vorher und es kann gut sein, dass man gar nicht wirklich damit gerechnet hat, dass der eigenen Abstract angenommen wird. Man hat nur mal pro forma etwas eingereicht, weil man das so macht oder weil es einem jemand nahe gelegt hat….

Und dann kommt doch die Zusage: der Abstract ist angenommen und man darf ein Poster präsentieren oder sogar einen Vortrag halten.

Glückwunsch!

Das ist toll und drückt Anerkennung für das eigenen Thema aus.

Was dich überhaupt erwartet

Kongresse sind sehr unterschiedlich, nicht nur bezogen auf die Themen. Jede Fachgesellschaft hat Ihre regelmäßigen Tagungen, außerdem gibt es Kongresse zu bestimmten Fragestellungen und von bestimmten Interessengruppen. Es gibt von der Industrie gesponserte Veranstaltungen und unabhängigen Informationsaustausch. Es gibt renommierte Fachtagungen mit mehreren tausend Teilnehmern und hochinteressante kleine Zusammenkünfte mit weniger als hundert Beteiligten.

Um welche Art von Veranstaltung es sich handelt sollte auch für einen unbedarften Neuling recht gut herauszufinden sein. Für so ziemlich jeden medizinischen Kongress gibt es eine eigene Webseite, auf der meist recht gut beschrieben wird, worum es geht, wie viele Gäste erwartet werden und was sonst noch so wichtig ist. Wenn der Zeitpunkt des Kongresses näher rückt (und damit auch die Vorbereitung des Vortrags oder des Posters konkret wird) wird meist auch ein Programm publiziert oder zumindest den angemeldeten Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Auch daraus lässt sich viel über Themen und Teilnehmer ableiten.

Art und Größe der Veranstaltung entscheiden natürlich auch über den Ort, an dem sie stattfindet. Es ist sicher nicht uninteressant schon im Vorfeld zu wissen, ob man denn nun in einem Kongresszentum, den Tagungsräumen eines Luxushotels, in einem Unihörsaal oder in einem familiären Seminarhaus sprechen wird. Wenn sie nicht zu weit weg sind, kann man sich unter Umständen die Räumlichkeiten sogar vorher bereits einmal ansehen. Das schaffte in gewissen Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit. In den meisten Fällen, vor allem bei Tagungen in andern Städten, hat man diese Chance allerdings nicht. Da empfiehlt es sich zumindest lang genug vor dem eigenen Beitrag anzureisen und sich zu orientieren.

Allein und verloren auf dem Kongress?

Während meiner Doktorarbeit hatte ich das große Glück die ersten Kongresse zusammen mit meinem Doktorvater besuchen zu können. Er hat mich seinen Kollegen, Kooperationspartnern und Bekannten vorgestellt und war auch bei meinen Präsentationen anwesend (mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt). Eine dermaßen enge Betreuung haben die meisten DoktorandInnen natürlich nicht, dennoch lohnt es sich allemal in der Forschungsgruppe nachzufragen, wer vielleicht noch vertreten sein wird. Dann kann man eventuell gleich zusammen anreisen oder zumindest hat man das beruhigende Gefühlt, dass man nicht ganz allein dort ist und schon jemanden auf der Veranstaltung kennt.

Auch in den Kaffee- oder Mittagspausen bieten sich viele Gelegenheiten andere TeilnehmerInnen kennenzulernen, wenn man etwas offen dafür ist. Schnell wird man feststellen, dass noch mehr unerfahrene Jungwissenschaftler und Doktoranden da sind.

Auf kleineren Kongressen ist es oft sehr unkompliziert mit verschiedensten Menschen ins Gespräch zu kommen und einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Forschungsgruppen und Studienleiter zu bekommen. Wer sich nicht nur selbst darstellen möchte, sondern bereit ist zuzuhören und zu beobachten, kann auch auf größeren Kongressen viel lernen bzw. einen Eindruck der üblichen Umgangsformen im entsprechenden Fachgebiet bekommen. Außerdem gibt es oft auch zusätzliche Veranstaltungen für Nachwuchswissenschaftler, deren Fokus häufig auf der Vernetzung liegt.

Die Sessions

Aus dem Kongressprogramm geht normalerweise der genaue Ablauf eines Kongresses hervor. Viele Aspekte sind dabei immer gleich: es gibt einen gemeinsamen Beginn mit Begrüßung und Keynote (Vortrag eines sehr renommierten Sprechers zu einem aktuellen oder wichtigen Thema), parallele Vortragssessions, verschiedenen Pausen und einen gemeinsamen Abschluss. Manchmal gibt es noch Workshops oder ander begleitende Veranstaltungen. Außerdem gibt es einen oder mehrer Orte an denen die Poster hängen und oft auch noch kommerzielle Aussteller, z.B. Pharmafirmen, Medizinproduktehersteller oä.

Der inhaltliche Austausch findet vor allem innerhalb der Sessions statt. Jeder angenommen Vortrag ist eingebettet in eine thematische Session mit oft vier oder sechs Vortragen verschiedener Sprecher. Auf vielen Kongressen gibt es auch noch geführte Postersessions, von denen ebenfalls mehrere parallel stattfinden, oder es wird eine Zeit vorgegeben, zu der die Autoren an ihrem Poster anzutreffen sein sollten, um Fragen zu beantworten.

Sowohl bei einer Poster- als auch bei einer Vortragssession empfiehlt es sich an der gesamte Session, in der der eigenen Beitrag dran ist, teilzunehmen, und das nicht nur, weil es höflicher und respektvoller ist. Wenn man nicht unbedingt als erster dran ist, bekommt man dadurch einen guten Eindruck vom Publikum und von den Moderatoren. Wer ziemlich nervös ist, kann die Zeit auch nochmal gut nutzen, um die eine oder ander Atemübung zu machen und sich so zu beruhigen, was übrigens auch während des Vortrags immer möglich ist, wenn man z.B. merkt, dass man gar nicht mehr richtig Luft holt oder die Stimme sehr zittert.

Nach jedem Vortrag und jeder Postervorstellung gibt es noch Zeit für ein paar Fragen aus dem Publikum. Viele Doktoranden haben die größte Angst davor, dass ihnen eine Frage gestellt wird, die sie nicht beantworten können. Sicher ist es hilfreich, wenn ein erfahrenes Mitglied aus der eigenen Forschungsgruppe mit in der Session sitzt, so dass man gegebenenfalls an dieses verweisen kann. Aber auch ansonsten gibt es keinen Grund Angst zu haben. Oft kann man solche Fragen mit einer Umformulierung des bereits Gesagten beantworten, weil es sich gar nicht um eine weiterführende Frage handelt, sondern eigentlich nur um Verständnisschwierigkeiten. Wenn der Frage damit noch nicht zufrieden ist, kann man ihn notfalls auch vertrösten. Es ist nämlich völlig in Ordnung, wenn es Aspekte gibt, die ein Doktorand nicht weiß, noch nicht durchdrungen hat oder erst noch recherchieren muss.

Networking- sehen und gesehen werden

Für viele der Teilnehmer geht es bei einem Fachkongress natürlich nicht nur um das rein inhaltliche Interesse sondern vor allem auch ums „Networking“. Man möchte wissen, wo die anderen stehen, seine eigenen Arbeiten in eine möglichst gutes Licht rücken und sich selbst beweisen, dass man alles richtig macht. Neben der rein sachliche Vorstellung der eigenen Ergebnisse geht es also oft auch um den Vergleich mit anderen Forschungsgruppen, um den kollegialen Austausch, aber auch um Selbstdarstellung und Selbstbehauptung. Unter diesem Aspekt sollte man es deshalb auch betrachten, wenn ein Zuhörer nur scheinbar eine Frage stellt, in Wirklichkeit aber über seine eigenen Forschungsergebnisse spricht oder ein anderer barsche Kritik an einem winzigen Teilaspekt der vorgestellten Studie anbringt.

Als Doktorand genießt man allerdings eine Art „Welpenschutz“, d.h. meist muss man nicht mit besonders aggressiven Fragen oder gar Angriffen rechnen. Wenn man aber doch angegangen werden sollte, hilft es, sich klar zu machen, dass es nichts mit einem selbst zu tun hat, dass man die Aussagen also nicht persönlich nehmen braucht, und dann sachlich auf der Inhaltsebene zu antworten und dem Angreifer am besten den Wind aus den Segeln nehmen, in dem man ihm am einen oder anderen Punkt einfach beipflichtet. Spätestens an diesem Punkt kann man mit der Unterstützung des Moderators rechnen. Weitaus weniger hilfreich wäre es, selbst persönlich zu werden und den anderen anzugreifen. Und selbst wenn man inhaltlich nicht ganz firm ist, kann man immer nochmal einen passenden Aspekt aus der eigenen Arbeit wiederholen, denn dazu weiß man selbst sicher am besten bescheid.

Auch als Jungwissenschaftler oder Doktorand muss sich niemand verstecken. Und wenn dir jemand das Gefühl gibt, klein und unbedeutend zu sein, weißt du wenigstens bei wem du nicht arbeiten möchtest.

Fazit

Ein wissenschaftlicher Fachkongress ist eine großartige Möglichkeit nicht nur die eigenen Forschungsergebnisse vorzustellen, sondern auch einen guten Eindruck von einem Fachbereich oder Forschungsthema einschließlich seiner beteiligten Personengruppen zu bekommen.

Trotz des zeitlichen Aufwands und möglicher damit verbundener Ängste, sollte man als DoktorandIn die Chance auf eine Kongressteilnahme unbedingt nutzen.

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