Das Besondere an wissenschaftlichen Texten

Wissenschaftliche Texte dienen nicht der Unterhaltung, sie sollen vielmehr informieren und unterrichten. Wissenschaftliche Texte erscheinen oft in hochspezialisierten Fachzeitschriften und werden von einem ebenso spezialisierten Publikum gelesen. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Texte unverständlich und umständlich sein sollen, ganz im Gegenteil, auch wissenschaftliche Texte dürfen und sollen interessant und verständlich sein. Insbesondere gilt das natürlich für Qualifikationsarbeiten, wie Promotionen oder Habilitationen.

Warum es gut ist, die Originaltexte selbst zu lesen

Wissenschaftliche Themen, die von großem Interesse für eine breitere Öffentlichkeit sind, werden in Zeitungen und Nachrichtenmagazinen aufgegriffen und von mehr oder weniger versierten Wissenschaftsjournalisten aufbereitet, so dass man sich selbst gar nicht die Mühe machen muss diese zu lesen oder zumindest in Versuchung kommt, das nicht mehr zu tun.

Mir kommt das ein wenig vor, wie das Verhalten von Schülern der Oberstufe, die lieber eine kurze Interpretation eines Buches lesen, als sich selbst in die Lektüre einzudenken.

Oft kann man an den Berichten über bestimmte wissenschaftliche Untersuchungen allerdings feststellen, dass auch Journalisten sich nicht die Mühe machen, den ganzen Text zu lesen, sondern ihre Aussagen ausschließlich aus dem Abstract und ganz vorrangig aus den Schlussfolgerungen der Autoren ziehen.

Aus der Perspektive eines Lesers ist es verständlich, dass man auf Sekundärliteratur zurückgreift und sich auf die angebotenen Zusammenfassung beschränkt, denn das Lesen eines ganzen Artikels kostet Zeit, unter Umständen viel Zeit, und es kann gut sein, dass man dann doch nur die gleichen Schlussfolgerungen zieht, die schon aus dem Abstract oder den Schlussfolgerungen eines Journalisten herauszulesen sind.

Vorsicht bei Zusammenfassungen und Zitaten

Ich mahne dennoch zur Vorsicht und plädiere ganz stark dafür, sich mit jedem Text, der für einen selbst von Interesse ist und mit dem man in irgendeiner Form vielleicht noch weiterarbeiten möchte, intensiv und vor allem im Original auseinanderzusetzen. Und „weiterarbeiten“ möchte ich in die Zusammenhang sehr breit fassen. Das geht von Zitieren über Schlüsse ziehen bis zur Planung von eigenen Experimenten oder Studien. Die eigenen Überlegungen zu einer Arbeit entsteht schließlich vor einem anderen Hintergrund und führen deshalb eventuell auch zu anderen Priorität und Schlussfolgerungen.

Methodik lesen, auch wenn es mühsam ist

Der Methodenteil wird von vielen Lesern gern übersprungen oder bestenfalls überflogen, dabei lohnt es sich durchaus hier tiefer einzusteigen. Nur in diesem Teil wird genau geschrieben, was wirklich in der Studie gemacht wurde. Nur aus dem Methodenteil kann man ableiten, ob die Art der Studie überhaupt relevant ist für die eigenen Fragestellungen. Nur anhand der Methoden kann man sicher beurteilen, ob sich aus den Ergebnissen der Studie wirklich die Schlussfolgerungen der Autoren ableiten lassen. Selbst wenn der Methodenteil schwierig zu verstehen ist oder vielleicht sogar genau dann, sollte man auf keinen Fall darauf verzichten ihn zu lesen. Die Qualität einer Studie steht und fällt schließlich mit der Auswahl des Studienmaterials bzw der Rekrutierung der Studienteilnehmer und mit der Auswahl und korrekten Durchführung geeigneter Methoden.

Nur wer verstanden hat, was genau untersucht wurde und wie dafür vorgegangen wurde, kann sich ein qualifiziertes Urteil über eine Studie erlauben. Und selbst wenn in einem Paper oder einer Arbeit der Methodiktiel eher dazu geeignet ist die Vorgehensweisen der Studie zu verschleiern als transparent zu machen, hat man eine recht wichtige Erkenntnis über das Vorgehen erlangt und kann anhand der Ergebnisse überprüfen, ob sich der Verdacht erhärtet. Nicht umsonst nimmt der Methodenteil einen signifikanten Teil der Gesamtarbeit ein und ist dennoch in Abstract, Zusammenfassungen und ganz besonders in journalistischen Aufbereitungen eher unterrepräsentiert.

Ergebnisse sind etwas anderes als Schlussfolgerungen

Wer sich die Mühe gemacht hat den Methodenteil zu durchdringen, hat bereits eine gute Vorstellung, welche Art von Untersuchungsergebnissen ihn im Ergebnisteil erwartet, denn natürlich sollten diese zu den Methoden passen. Der Ergebnisteil ist wie der Methodenteil eine eher nüchtern Beschreibung der eigenen Untersuchung ohne Raum für Interpretation oder persönliche Einschätzung. Einem Leser mit guten Vorkenntnissen bieten diesen beiden Abschnitte alles was er benötigt, um die Qualität einer Studie und auch deren Aussagen beurteilen zu können.

Einleitung, Diskussion und insbesondere Schussfolgerungen der Autoren helfen nur dabei, die Studie und ihre Ergebnisse einzuordnen, wenn man selbst kein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet ist. Sie entbinden den Leser aber nicht vor der Verpflichtung kritisch zu hinterfragen, ob die Ergebnisse korrekt interpretiert und diskutiert werden. Unabhängig davon, wie eindeutlich die Ergebnisse selbst auch sein mögen, bleibt immer viel Spielraum für Interpretation und Schlussfolgerungen.

Die meisten Wissenschaftler und Arbeitsgruppen arbeiten korrekt und sauber, aber immer wieder werden einzelne Paper oder ganze Studien wegen Unregelmäßigkeiten zurückgezogen. Viele dieser Unregelmäßigkeiten lassen sich gut erkennen, wenn man einen ausführlichen und kritischen Blick auf die Beschreibungen der Methodik und der Ergebnisse wirft. Bei allen anderen lernt man genau diesen kritischen Blick zu schulen und bekommt einen Einblick welche Aspekte wichtig sind, was auch für eigene Paper sehr hilfreich ist.

Learnings für den eigenen Text

Wer wissenschaftlche Texte erstellt, sollten seine Zielgruppe immer genau vor Augen haben, um sie wirklich zu erreichen, was übrigen auch bei allen anderen Publikationen, Vorträgen, Seminaren oder Workshops gilt. Der Leser springt schnell ab, wenn Sätze zu verschachtelt werden oder sich die Zusammenhänge auch bei wiederhottem Lesen nicht erschließen lassen. Für den Autoren oder die Autorin eines Textes bedeutet das, dass er/sie nicht nur die Materie selbst verstanden und komplett durchdrungen haben muss, sondern dass er/sie auch einen roten Faden braucht, an dem er/sie sich entlanghangeln kann, um den Text zu strukturieren.

Neben der nötigen Fachkenntnis sollte man als Autor einer wissenschaftlichen Arbeit auch noch (halbwegs) gute Sprachkenntnisse mitbringen, auf eine abwechslungsreiche und treffende Sprache achten oder sich gegebenenfalls dabei unterstützen lassen.

So wichtig es ist, die eigenen Methoden und Ergebnisse vollständig, korrekt und nachvollziehbar zu beschreiben, kann man dennoch sowohl in der Einleitung, in der Diskussion und insbesondere in der Zusammenfassung einen Fokus setzen, der den Leser in eine bestimmte, erwünschte Richtung lenkt, was nicht bedeutet, dass man sich zu besonders gewagten oder phantasievollen Interpretationen hinreißen lassen sollte. Glaubwürdigkeit entsteht dadurch, dass die Interpretation und Einordnung der Studienergebnisse für den Leser nachvollziehbar und realistisch ist.

Speziell bei einer Doktorarbeit lesen Gutachter zuerst die Zusammenfassung. Wenn diese klar und fachkundig ausgearbeitet ist, wir der Rest häufig nur noch überflogen. Um eine prägnante Zusammenfassung schreiben zu können, muss man in aller Regel einen hervorragenden Überblick über die ganze Arbeit besitzen und diese sehr gut und stringent strukturiert haben.

Wie die Zusammenfassung einer Qualifikationsarbeit, ist der Abstract eines Papers der mit Abstand am häufigsten gelesenen Teil. Deshalb sollte er mit viel Sorgfalt und Liebe erstellt werden.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Erstellen einer wissenschaftlichen Arbeit zwar keinesfalls eine Kunst ist, aber durchaus solide Handwerksarbeit erfordert, die in Ihrem Aufwand keinesfalls unterschätzt werden sollte. Durch den Schreibstil und die Struktur der Arbeit bestimmt sich größtenteils, wie die eigenen Forschung aufgenommen und bewertet wird. Wer im wissenschaftlichen Schreiben nicht so versiert ist, profitiert hierbei sicherlich von einem gute Fachlektor oder einem Wissenschaftscoach.

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