Zu einem Hochschulstudium gehört, dass man wissenschaftliches Arbeiten lernt und praktiziert. Lange Zeit galt das allerdings nicht unbedingt für das Medizinstudium und auch jetzt gibt es noch Studiengänge, die ohne Hausarbeiten oder Wissenschaftspraktikum zur Approbation führen.

Ganz allgemein gilt: Umso früher man im Studium Kontakt mit wissenschaftlichen Methoden hat und lernt, worauf es ankommt, umso leichter fällt einem später die Erstellung einer Abschlussarbeit oder auch der Promotion.

Gerade wenn man keine bis wenig Erfahrung mit wissenschaftlichem Arbeiten hat, sind die Berührungsängste umso größer. Die vielen und anfangs oft schwer verständlichen Anforderungen an korrektes Zitieren, Quellenangaben, Belege, den richtigen formalen Aufbau der Arbeit und die statistische Auswertung schrecken viele Studierende ab und verhindern, dass man sich intensiver als nötig mit dem Thema befasst.

Und wer keine Doktorarbeit während des Studiums schreibt oder einfach noch nicht so weit fortgeschritten ist, der kann unter Umständen seinen Abschluss bekommen ohne die geringste Vorstellung vom wissenschaftlichen Arbeiten zu haben.

Aber auch, wenn man im Studium nicht lernt, wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert, kann man das später noch nachholen und erlernen. Das ist keinesfalls unmöglich, nicht mal besonders schwierig.

All die scheinbar lästigen Vorgaben für die Erstellung wissenschaftlicher Schriftstücke, dienen vor allem der Einhaltung gewisser Qualitätsstandards. Gleichzeitig sind sie damit aber auch Anleitung und Hilfestellung.

Spätestens zum Ende des Medizinstudiums steht dann eine Entscheidung für eine bestimmte Fachrichtung und eine bestimmte Klinik an, und damit oft auch für oder gegen eine wissenschaftliche Tätigkeit oder sogar eine Wissenschaftlerlaufbahn. So bewusst wird diese Entscheidung oft allerdings gar nicht getroffen. Wie soll man sie auch fundiert treffen, wenn man nicht mal richtig weiß, was es bedeutet, wissenschaftliche zu arbeiten?

Ich denke mir ging es da wie vielen anderen auch: nach dem Studium wollte ich eigentlich nur weg aus dem Uniklinikum. Aus verschiedenen Gründen war ich dann aber nach nur sechs Monaten wieder zurück und habe dann viele Jahre an der Uni gearbeitet. Ins wissenschaftliche Arbeiten bin ich einfach hineingewachsen, da es von Anfang an fester Bestandteil der Arbeit an der Uni war.

Was mir damals nicht so bewusst war:

Wissenschaft hat viele Facetten, selbst, wenn man sich nur den medizinischen Bereich ansieht. So gibt es nicht nur die angewandte Forschung mit ihren allgegenwärtigen klinischen Studien, sondern eine ganze Bandbreite verschiedener Forschungsgebiete von Grundlagenforschung, die sich ganz überwiegend im Labor abspielt und naturwissenschaftlicher Methoden bedient, auf der einen Seite, bis zu epidemiologischen Beobachtungsstudien, die sich teilweise der Methoden der empirischen Sozialforschung bedienen, auf der anderen Seite.

Die Aussage, nicht wissenschaftlich arbeiten zu wollen, ist in dieser Form also nicht als hilfreich zu werten. Natürlich kann es gut sein, dass jemand kein Interesse hat im Labor zu stehen oder dass man seine Zeit lieber mit der Patientenversorgung verbringt als vor seinen Büchern oder seinem Computer oder dass man einfach keine Lust hat 60 oder 80 Stunden pro Woche zu arbeiten, um seine Wissenschaftskarriere voranzubringen.

Auch gibt es auch keinerlei Erfordernisse, dass alle Mediziner wissenschaftlich und forschend tätig sein müssten. Jeder Arzt und jede Ärztin sollte allerdings zumindest soviel Vorstellung vom wissenschaftlich Arbeiten und von den zugrundeliegenden Methoden haben, dass er oder sie selbständig zu jeder Studie eine Vorstellung über deren Qualität und Glaubwürdigkeit entwickeln kann; schon allein im Sinne einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Patienten und für die erfolgreiche lebenslange Weiterentwicklung.

Ein Grundverständnis der medizinischen Forschung zu vermitteln, sollte also durchaus Ziel eine jeden Medizinstudiengangs sein. Alle Studierenden der Medizin sollten die Chance bekommen (und auch nutzen) einen Einblick in mindestens zwei verschiedene Forschungsbereiche zu bekommen.

Aus diesen Gründen gibt es in meiner Vorstellung durchaus Sinn sich für den Erwerb des eigenen Doktortitels wissenschaftlich zu betätigen, auch wenn man im weitern Verlauf keine wissenschaftliche Laufbahn anstrebt. Sogar eine Arbeit in einem völlig fachfremden Gebiet kann sinnvoll sein, um einfach einen Blick über den Tellerrand zu wagen und die eigene Perspektive zu erweitern.

Auch einige Universitäten haben ihre Promotionsordnungen dahingehend geändert, dass eine Promotion jetzt verpflichtend mit einer mehrmonatigen wissenschaftlichen Tätigkeiten im Sinne einer Doktorandenstelle einhergeht.

In einer bestimmten Phase seines Lebens wissenschaftlich zu arbeiten, ist eine Investition in die eigene Entwicklung, da viele Aspekte der Persönlichkeit gefördert werden, wie Gewissenhaftigkeit, Kritikfähigkeit und kritisches Denken.

Unter diesem Aspekt ist es also auch absolut sinnvoll eine eigenständige wissenschaftliche Leistung für seinen Doktortitel zu erbringen auch ohne eigentliches Interesse an Wissenschaft und einer Tätigkeiten in diesem Umfeld.

Wie bei allen Projekten, wird es auch im Verlaufe der Doktorarbeit immer wieder Durststrecken geben. Die Arbeit kommt ins Stocken, weil es Schwachpunkte im experimentellen Setup gibt, weil die Fluktuation im Team so hoch ist, weil der der Doktorvater einen neuen Schwerpunkt gefunden hat und nicht mehr so viel Interesse aufbringt oder weil man selbst anderweitig stark eingebunden ist. Die möglichen Störfaktoren sind vielfältig. Was uns am besten hilft solche Durststrecken zu überwinden, ist eine gute intrinsische Motivation.

Warum willst du überhaupt promovieren? Was bist du gewillt dafür zu investieren? Wie wichtig ist dir der Titel? Welche Strategien hast du, um dich immer wieder an deine eigenen Motivation zu erinnern?

Wer weiß wofür er/sie sich anstrengt, tut sich viel leichter am Ball zu bleiben und auch die langweiligen oder mühsamen Aufgaben zu erledigen. Unter Zwang arbeitet es sich nicht besonders gut und auch finanzielle Anreize taugen nur sehr bedingt als Motivation. Also mach dir klar, wofür du an der Promotion arbeitest, mach dir diese Motivation vor allem in schwierigen Phasen immer wieder bewusst. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass du vielleicht auch einfach auf die Promotion verzichten kannst, wenn du nicht wirklich gut dafür motiviert bist.

Der Aufwand, den es bedeutet, ist es dennoch für die meisten MedizinerInnen allemal wert und ich kenn nicht wenige Leute, die immer gern an den praktischen Teil ihrer Doktorarbeit zurückdenken, obwohl oder vielleicht gerade weil diese Zeit sehr arbeitsintensiv war.

Zusammenfassend sollte jeder eine gewisse Offenheit für das wissenschaftliche Arbeiten und die dazugehörigen Methoden mitbringen, ohne dass man deshalb eine Wissenschaftlerlaufbahn anstreben muss.

Teilen mit: