Doktorarbeiten sind thematisch so verschiedenartig wie die Blumen auf einer Wiese und auch die Methodenvielfalt riesig, selbst wenn man nur einen einzelnen Fachbereich betrachtet, wie Medizin oder Psychologie. Manche naturwissenschaftliche Arbeit umfasst nicht mal 50 Seiten, während sich geisteswissenschaftliche Arbeiten gern mal auf mehreren Hundert Seiten ausbreiten. Ich möchte hier nicht auf die Formalien einzelner Promotionsordnungen eingehen, sondern auf die grundlegenden Aspekte wissenschaftlicher Arbeitsweise, wie sie für eine Promotion anzuwenden sind. Denn es gibt es allgemeingültige Richtlinien für den Aufbau einer Arbeit, auch wenn sich die Feinheiten durchaus unterscheiden können.
Der Titel der Arbeit
Wer Prosa schreibt oder einen Blog oder sich auch nur an die Aufsätze der Schulzeit erinnert, der weiß, dass besonders viel Aufmerksamkeit in den Titel bzw. die Überschrift eines Schriftstücks geht. Der Titel erfüllt viele Aufgaben, so soll er Aufmerksamkeit erregen und Interesse wecken. Er soll neugierig aufs Thema machen und gleichzeitig nicht zu viel verraten. Nun, für den Titel deiner Doktorarbeit kannst du all diese Aspekte getrost vergessen, denn dieser soll nur eines: er soll möglichst klar und prägnant informieren, worum es geht. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Titel langweilig sein soll, aber er erfordert nicht besonders viel Fantasie, sollte dich also nicht übermäßig beschäftigen.
Einführung ins Thema
Die Einführung ins Thema oder Einleitung soll den Leser mit allen wichtigen Kenntnissen zum Thema versorgen, ihn auf den aktuellen Wissensstand bringen und ihm ermöglichen, deine Arbeit einzuordnen. In der Einleitung wird sich vieles wiederfinden, das du dir vor Beginn deiner Arbeit selbst erarbeiten musstest, oder, falls du zu einem Thema promovierst, dass aus deiner täglichen Arbeit entstanden ist, all das, was du dir im Verlauf deiner Tätigkeit zusammengesammelt und angeeignet hast. Die Einleitung lebt überwiegend aus der sinngemäßen Wiedergabe der Ergebnisse anderer Leute. Sie ist selbst bereits eine kleine bis mittlerer Literaturarbeit und ist entsprechend voll von (möglichst aktuellen) Literaturangaben. In der Einleitung legst du durch deine Schwerpunktsetzung bereits den Grundstein für die Diskussion, da du den Leser in eine bestimmte Richtung lenken kannst. Den Aufwand für eine gute Einleitung solltest du auf keinen Fall unterschätzen und es lohnt sich, diesen Teil auch nochmal zu überarbeiten, wenn er nicht mehr so gut passt oder wenn du neue Erkenntnisse gewonnen hast.
Das Herzstück: die Fragestellung
Die gesamte Einführung leitet auf einen Punkt hin: die Zielsetzung der eigenen Untersuchung, der eigenen Arbeit. Die Zielsetzung ist das übergeordnete Ziel der Arbeit, der Beitrag zur Forschung, den du leisten willst. Diese Zielsetzung ist dann nochmals aufgegliedert in die einzelnen Fragestellungen und Hypothesen. Also, welche konkreten Fragen willst du beantworten? Wie lautet deine Nullhypothese, die du verwerfen möchtest ganz genau? Was ist die Haupthypothese und welche Nebenhypothesen gibt es? Die Fragestellungen deiner Untersuchung oder deines Experiments geben schon ziemliche gut vor, wie die Ergebnisse zu präsentieren sein werden, denn mit diesen, willst du die Fragen beantworten.
Material und Methoden: wie gehe ich an die Fragestellung ran?
Die Methodik ist oft der trockenste Teil einer Doktorarbeit und für viele Promovierende auch der schwierigste. Besonders wichtig ist hier zuerst einmal das Studienmaterial bzw. die Studienpopulation zu beschreiben, und zwar noch nicht deren konkrete Zusammenstellung, das ist bereits ein ersten und sehr wichtiges Ergebnis, sondern die Kriterien für deren Auswahl, idealerweise definierte Ein- und Ausschlusskriterien. Bei größeren Projekten ist die Abgrenzung der eigenen Methodik zum Gesamtprojekt essenziell. Es gehört nur rein, was der Beantwortung der eigenen Fragestellung dient und nicht alles was gemacht wurde. Zudem müssen alle Untersuchungsmethoden, verwendeten Geräte und Fragebögen erläutert und gegebenenfalls illustriert werden. Alles Inhalte die erforderlich sind, um die Entstehung und Herkunft der Ergebnisse zu verstehen, gehören in den Methodenteil. Ebenso gehört eine Beschreibung der statistischen Methoden, die zur Anwendung kommen, hierher und auch eine Fallzahlberechnung, wenn es eine gegeben hat.
Der Hauptteil: meine Ergebnisse
Gewissermaßen der wichtigste Teil einer jeden Doktorarbeit besteht aus den Ergebnissen. Hier finden sich die Früchte deiner Arbeit, hier steckt alles drin, was du untersucht, herausgefunden und ausgewertet hast. Das gilt im Übrigen ganz genauso, wenn du vielleicht sogar enttäuscht bist von den gewonnenen Erkenntnissen, weil sie so gar nicht das widerspiegeln, was du erhofft hast. Beim Aufbau der Ergebnisse beginnst du mit den rein deskriptiven Beschreibungen und beginnst dann deine Fragestellungen zu beantworten. Eine Bewertung deiner Erkenntnisse finde allerdings überhaupt noch nicht statt. Auch werden hier keine der verwendeten Methoden mehr beschrieben, sie sollten alle bereits bekannt sein. Im Ergebnisteil bietet es sich an, viel mit Tabellen und Grafiken zu arbeiten, es ist dabei allerdings weder erforderlich noch guter Stil, die Ergebnisse doppelt darzustellen. Was in einer Tabelle oder Grafik gezeigt wird, musst du im Text nur kurz erläutern und nicht ebenfalls vollständig beschreiben. Obwohl der Ergebnisteil sehr wichtig ist, kann er bei manchen Studien oder Experimenten dennoch kurz ausfallen. Versuche nicht ihn dann künstlich aufzublasen. Es gehören wirklich nur die eigenen Studienergebnisse hierher, sonst nichts.
Einordnung und kritische Würdigung – die Diskussion
Die Diskussion ist eigentlich ein sehr dankbarer Teil der Doktorarbeit, weil du hier erstmals deine eigenen Einschätzungen und Bewertungen der ganzen Arbeit einfließen lassen kannst. Gerade deshalb verunsichert dieser Teil viele Promovierende. Denn auch die Diskussion sollte bestimmten Regeln folgen. So ist es bei einer wissenschaftlichen Arbeit üblich, zuerst die eigenen Ergebnisse zu würdigen. Um die persönlichen Herausforderungen geht es dabei nicht, sondern ausschließlich um den Wert und die Stimmigkeit der eigenen Ergebnisse im Kontext der bekannten Studien und der gängigen Meinung im wissenschaftlichen Umfeld. Anschießend setzt du dich mit den Limitationen deiner Arbeit auseinander. Imitationen hat jede Untersuchung, sie werten deine Arbeit keinesfalls ab, du sollst nur zeigen, dass du dir dessen bewusst bist. Es geht hier nicht darum, deine Arbeit oder deine Ergebnisse schlecht zu reden. Abgerundet wird die Diskussion mit ein paar Schlussfolgerungen und dem Ausblick, wie weitere Forschungsbedarf zum Thema aussehen kann. Denn schließlich wird kaum eine Studie irgendein Thema abschließend beantworten können.
Last but not least – die Zusammenfassung
Meist ganz am Anfang der geschriebenen Arbeit, aber ganz am Ende des Schreibprozesses, steht die Zusammenfassung. Diese folgt im etwas dem gleichen Aufbau wie die Hauptarbeit, soll dabei aber in verständlicher Form den Inhalt der Arbeit auf wenigen Seiten wiedergeben. Im Englischen nennt man diese Zusammafassung einen „Abstract“. Eine solchen musst du auch grundsätzlich für Vorträge oder Posterbeiträge auf Kongressen einreichen, wobei du hierfür meist eher nur einen Teilaspekt deiner Arbeit herauspicken wirst. Die Bedeutung der Zusammenfassung liegt vor allem darin, dass sie dein Aushängeschild ist. Jeder der deine Arbeit liest, auch Betreuer und Gutachter, wird zuerst die Zusammenfassung lesen, um sich eine Überblick zu verschaffen. Hier entsteht der berühmte erste Eindruck und du hast es in der Hand, wie dieser ausfällt. Es lohnt sich also durchaus, in die Zusammenfassung ordentlich viel Arbeit zu stecken und auch immer nochmal dran zu feilen, bis sie richtig gut ist. Der positive Nebeneffekt ist, dass du dann schon ziemlich gut auf deine Verteidigung vorbereitet bist, weil du die wichtigsten Aspekte deiner Arbeit herausgearbeitet und parat hast.
Welchen Teil schreibe ich zuerst?
So klar die Reihenfolge der einzelnen Teile einer Doktorarbeit vorgegeben ist, so offen ist die Reihenfolge in der sie zu schrieben sind. Zusammenfassung oder Diskussion stehen zwar eher nicht am Anfang, aber ansonsten hängt es viel mit den eigenen Vorlieben zusammen. Vielfach wird empfohlen, den Methodenteil zuerst zu schreiben, am besten schon bevor man mit dem praktischen Teil der Arbeit beginnt. Ich finde es gut, schon viel zu den Hintergründe und zur Studienlage zusammenzuschreiben, weil man sich dabei einen sehr guten Überblick zum Thema erarbeiten kann. Während andere zuerst den Ergebnisteil schreiben, weil sie sehr praktisch an die ganz Arbeit herangehen und einfach dokumentieren, was sie erheben. So oder so wirst du vermutlich den Teil, den du zuerst geschrieben hast, nochmals überarbeiten müssen. Die Einleitung muss gegen Ende auf alle Fälle um die aktuellsten Studien ergänzt werden (außer dein Thema ist zeitlos), der Methodenteil profitiert aus den Erfahrungen der Praxis und der Ergebnisteil aus etwas Unterfütterung mit Theorie. Aus diesem Grund empfehle ich nach dem Pareto-Prinzip zu arbeiten: versuche nicht den ersten Teil der Arbeit völlig abzuschließen und perfekt zu machen, sondern gibt dich mit „gut genug“ zufrieden und mach an anderen Stellen weiter. Komm dann später zurück und gib deinem Anfangsteil den letzten Feinschliff.
Was ist mit Tabellen, Grafiken, Anhängen und Fußnoten?
Eine Darstellung speziell der Ergebnisse als Grafiken oder Tabellen trägt sehr zu einer besseren Verständlchkeit und zu größerer Übersichtlichkeit bei. Auch Bilder können gut geeignet sein, bestimmte Aussagen zu unterstützen. Dabei ist es so, dass alle Darstellungen nie nur Dekoelemente sind, sondern immer der Darstellung von Inhalten dienen. Alle Inhalte, die über Grafiken, Bilder oder Tabelle vermittelt werden, sollten im Text nur noch erläutert, aber nicht mehr ausführlich beschrieben werden. Und natürlich müssen sie vollständig in den entsprechenden Verzeichnissen aufgeführt werden. Bei einer sehr großen Anzahl an Bildern bietet es sich an diese in einen Anhang zu packen. Hierbei solltest du die Vorgaben deiner Fakultät beachten, manchmal sind Anhänge explizit nicht erwünscht oder es wird klar gestellt, dass Anhänge nicht in die Bewertung einfließen. Wenn möglich, kannst du auch verwendete Fragebögen oder Versuchsprotokolle in den Anhang packen und dich im Methodenteil darauf beziehen. Auch was Fußnoten anbetrifft, sind die Vorgaben der Fakultäten sehr verschieden. Fußnoten sind eine gute Möglichkeit ergänzende Bemerkungen unterzubringen ohne den Textfluss zu unterbrechen. Speziell in naturwissenschaftlichen Arbeiten sind sie allerdings eher unüblich und oftmals nicht erwünscht. Mach dich unbedingt in der für dich relevanten Promotionsordnung schlau, das erspart dir viel Arbeit und Ärger.
Der Aufbau in Kurzform
Kurz zusammengefasst sieht der Aufbau einer klassischen Doktorarbeit so aus:
- Deckblatt mit Titel und Verfasser
- Verzeichnisse (Inhalt, Tabellen, Grafiken)
- Zusammenfassung
- Einleitung
- Zielstellung
- Material und Methoden
- Ergebnisse
- Diskussion
- Literatur
- Eidesstattliche Erklärung
- (Anhang)
Manche Fakultäten manchen noch spezielle Vorgaben, diese kann man in der Promotionsordnung nachlesen. Auch was die Formatvorgaben, dass Aussehen des Deckblatts, die Zitation und den Wortlaut der eidesstattlichen Erklärung anbetrifft, gibt es sicher ein paar Unterschiede, aber diese kann man alle problemlos nachlesen. Am grundlegenden Aufbau der Arbeit ändert das nichts.