Fast jeder Mensch kennt zumindest eine milde Form der Prüfungsangst. Wenn vielleicht nicht unbedingt vor den kleinen Prüfungen wir Klassenarbeiten oder Klausuren, dann vielleicht vor Abschlussprüfungen oder Führerscheinprüfung. Manchen Menschen machen schriftliche Prüfungen keinerlei Angst, aber dafür womöglich praktische oder mündliche Prüfungen. Bei anderen mag das genau anders herum sein.

Was ist Prüfungsangst überhaupt?

Prüfungsangst zu haben, bedeutet nicht generell eine ängstlicher Mensch zu sein. Prüfungen sind ganz besondere Situationen, in den wir uns beweisen müssen. Wir bekommen Feedback zu unserer Arbeit oder unseren Fähigkeiten. Oft wissen wir nicht genau, was uns in der Prüfungssituation erwarten wird, oder wir sind unsicher hinsichtlich der Erwartungshaltung der Prüfer. Die Ergebnisse einer Prüfung können maßgeblichen Einfluss auf unsere Zukunft oder zumindest bestimmte Aspekte unsere Zukunft haben, weshalb es nur natürlich ist nervös und aufgeregt zu sein.

Wie wirkt sich Prüfungsangst aus?

Prüfungsangst hat sowohl körperliche als auch psychische Auswirkungen. Gefühle von Nervosität und Unruhe, zittrige, verschwitzte Hände und Herzklopfen kennen die meisten Menschen. Welche sonstigen Symptome auftreten, hängt sehr stark von der eigenen Konstitution und Veranlagung ab. Selbst Symptome wie Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Gedankenkreisen, wirre Träume, Übelkeit, Beklemmungsgefühle oder Mundtrockenheit kann man meist gut in den Griff bekommen. Schwierig wird es nur dann, wenn die Symptome so ausgeprägt sind, dass sie eine regelrechte Vorbereitung oder gar die Teilnahme an der Prüfung verhindern.

Positive Effekte

Unsere Ängste dienen und beschützen uns, so auch die Prüfungsangst. Weil wir die Situation (unbewusst) als ausnehmend wichtig und auch als bedrohlich erleben, aktivieren wir Energien und Reserven, die für Notfälle gedacht sind. Während einer Prüfung sind wir in Alarmbereitschaft, so dass wir besonders aufmerksam und aufnahmefähig sind. Und entgeht nicht und wir können uns sogar manchmal an Dinge erinnern, von denen wir das nicht erwartet hätten. Auch schon vor der Prüfung ist es oft nur unsere zunehmende Nervosität, die uns motiviert und antreibt noch etwas mehr zu lernen. Alles in allem ermöglicht uns ein gesundes Maß an Prüfungsangst unser bestmögliches Ergebnis in einer Prüfung zu realisieren.

Negative Auswirkungen

Ein Übermaß an Prüfungsangst kann den Erfolg einer Prüfung gefährden und sogar zu einem sogenannten Blackout führen, einem Zustand, in dem man sich kurzfristig an nichts mehr erinnern kann, das man gelernt hat. Teilweise ist es genau die Angst vor dem Blackout, die die Prüfungsangst erst richtig überhöht; ein Teufelskreis also, den es gilt zu durchbrechen. Und diese Spirale der Angst kann tatsächlich durchbrochen werden. Als Prüfling ist man keinesfalls hilflos und ausgeliefert. Ganz im Gegenteil kann jeder Einfluss nehmen auf die eigene Wahrnehmung der Prüfung, auf die eignen Gedanken und natürlich auf die eigene Prüfungsvorbereitung.

Was man vor der Prüfung tun kann

Wer sich auf eine Prüfung gut vorbereitet fühlt, hat wenig Grund zur Angst. Idealerweise kann man mit der festen Überzeugung „mir kann eigentlich gar nichts passieren“ in die Prüfung gehen. Um zu dieser Überzeugung zu kommen, müssen zwei Aspekte erfüllt sein: Die Prüfungsvorbereitung hat tatsächlich fundiert und sinnvoll stattgefunden UND der Prüfling ist im Stande seine eigenen Vorbereitung und sein eigenes Wissen positiv-realistisch anzuerkennen.

Einen Plan erstellen

Die großen und wichtigen Prüfungen kommen nicht überraschend, es ist also gut möglich sich gezielt und über eine gewissen Zeitraum vorzubereiten. Es bietet sich hierbei an, einen langfristigen Lernplan zu erstellen. Für das „Hammerexamen“ im Medizinstudium hat sich der 100-Tage-Lernplan durchgesetzt, das ist aber keinesfalls die einzige Möglichkeit und auch dieser Plan kann deine eigene Lernplanung nur unterstützen und nicht ersetzen. Schreibe dir einen persönlichen Lernplan, in dem du deine eigenen Termine und Verpflichtungen mit berücksichtigst. Denke dabei auch an Pufferzeiten und Pausen. Bleibe realistisch und verplane auf keinen Fall deine ganze Zeit, das führt vorhersehbar zu Frust. Zusätzlich zu deinem globalen Lernplan solltest du auch konkrete, kleinteiligere Wochenpläne erstellen (z.B. immer sonntags für die kommende Woche), in die du flexibel Änderungen einbauen und das Pensum für jeden einzelnen Tag anpassen kannst. Auch die Zeit für die Erstellung des nächsten Wochenplans solltest du jeweils einplanen.

Voraussetzungen schaffen

Ein solider Lernplan ist die beste Voraussetzung, um wirklich mit dem Lernen zu beginnen und zielgerichtet dabei zu bleiben. Oft sind es aber zusätzliche kleine Tricks, die es einfacher machen und verhindern, dass man sich selbst im Weg steht. Wenn du weißt, dass du gern unangenehme Dinge vor dir herschiebst, musst du dich ein bisschen selbst überreden, um wirklich mit dem Lernen anzufangen. Da kannst du tun, indem du z.B deinen ersten Lerntag rot im Kalender markierst oder allen Bekannten vorher mitteilst welcher Tag es sein wird. Plane außerdem schon vor dem eigentlichen Lernbeginn etwas Zeit für deine Vorbereitung ein, für Putzen, Aufräumen, Einkaufen, für alles, was du so tun könntest, um dich vom Lernen abzuhalten. Schaffe auch Platz für diese Dinge in deinen Wochenplänen, dann können sie nicht mehr als Ausrede herhalten.

Vielleicht musst du noch härtere Geschütze auffahren, z.B. deine Fernseher (vorübergehend) weggeben, deine Internetverbindung abschalten oder bestimmte Spiele und Apps von deinem Rechner oder Telefon deinstallieren. Dann tu das! Die Prüfungszeit geht vorbei und du wirst feststellen, dass du nichts verpasst hast.

Die beste Lernumgebung

Menschen sind verschieden und haben verschieden Bedürfnisse und Vorlieben, auch beim Lernen. Während der eine am liebsten morgens um sechs nur mit einem Kaffee bewaffnet den ersten Lernblock des Tages absolviert, kommt der nächste erst in die Gänge nach einem vernünftigen Frühstück und wenn er um neun richtig ausgeschlafen ist. Die eine kann in ihrer gewohnten Umgebung am heimischen Arbeitsplatz am besten arbeiten und für die andere ist es hilfreich gezielt zum Lernen das Haus zu verlassen und sich für einige Stunden in einer öffentlichen Bibliothek einzurichten. Manch einer ist vollauf zufrieden sich zum Lernen ein paar Wochen zurückzuziehen und ein Eremitenleben zu führen, während andere regelmäßigen Austausch und Bestätigung mit und von Kommilitonen und Leidensgenossen brauchen.

Hier gibt es kein richtig oder falsch, gut oder schlecht. Am besten findest du selbst raus, was du brauchst. Das kann im Verlaufe einer Prüfungsvorbereitung auch unterschiedlich sein, wichtig ist nur, dass es deinem Ziel der effektiven Prüfungsvorbereitung nützlich ist.

Bewusster Umgang mit den Ängsten

Auch bei guter Prüfungsvorbereitung kann es durchaus vorkommen, dass vor allem mit abnehmender Zeit bis zum Prüfungstermin die Nervosität und Angst immer mehr zunehmen. Das ist völlig in Ordnung und du darfst und sollst diese Ängste anerkennen und auch ein wenig wertschätzen. Schließich sind dir die Prüfung und dein Abschneiden nicht egal, du hast etwas geleistet und du möchtest den Lohn dafür haben.

Wenn Unruhe und Anspannung allerdings zu stark werden und zu deinen ständigen Begleitern schon vor der Prüfung, solltest du sie in ihre Schranken weisen. Mach dir regelmäßig und gezielt bewusst, was du schon alles geleistet hast und wie gut du schon vorbereitet bist. Trainiere dein positives Denken (über dich selbst, über die Prüfer), überprüfe deine Annahmen und Überzeugung auf Glaubwürdigkeit (ist es wirklich realistisch anzunehmen, dass nur Themen dran kommen werden, die du nicht gelernt hast? Oder wollen dich die Prüfer wirklich voller Freude in die Pfanne hauen?) und mach dir bewusst, dass sich alles nur in deinem Kopf abspielt.

Gesunde Routine in der Prüfungszeit

Vernachlässige auch nicht deine Regenerationszeiten und Pausen. Körper und Geist können nur gut arbeiten, wenn sie ausgeruht und fit sind. Also achte darauf genug zu schlafen, mache regelmäßige Pausen, iss zumindest halbwegs vernünftig und komm zumindest einmal am Tag an die frische Luft. Es gibt überhaupt keinen Sinn, den ganzen Tag vor deinen Büchern zu sitzen, deshalb nimm dir die Zeit für Sport und Bewegung. Schaffe dir bestimmte wohltuende Routinen, z.B. eine schöne Tasse Tee am Abend vor dem Schlafengehen oder ein Spaziergang in der Mittagspause. Dein körperliches und psychisches Wohlbefinden können davon nur gewinnen und du kannst deine Lernzeiten viel effektiver nutzen.

Stressbewältigung durch Entspannung

Eine sehr gute Möglichkeit dein Stresslevel zu senken, sind auch die verschiedenen Entspannungsverfahren. Auf welches Verfahren du dabei zurückgreifst ist nicht so wichtig, das solltest du von deinen Vorlieben und Vorkenntnissen abhängig machen. Hast du Erfahrung mit Yoga und oder Meditation? Super! Bau das in deinen Tagesablauf ein. Entspannst du am besten beim Laufen oder Radfahren? Auch gut. Du kannst Autogenes Training (AT) oder Progressive Muskelrelaxation? Funktioniert genauso gut.

Aber auch wenn du dich noch nie mit Entspannungsverfahren befasst hast, ist es nicht zu spät eines zu erlernen. Die Grundzüge von AT lassen sich sehr gut sogar aus einem Buch erlernen und führen innerhalb kurzer Zeit zu Erfolgen. Und selbst einfach Atemübungen können vor alle zur akuten Beruhigung oder beim Einschlafen sehr gut helfen. Konzentriere dich hierfür auf deinen Atem und atme ganz bewusst. Du kannst deinen Atem ganz aktiv vertiefen (vor allem zur akuten Beruhigung z.B. in der Prüfung sehr gut geeignet) oder auch einfach nur beobachten und Atemzüge zählen (funktioniert hervorragend als Einschlafhilfe).

Wann sollte man Hilfe in Anspruch nehmen

Wenn du merkst, dass du in deiner Planung oder mit deinen Ängsten nicht zurecht kommst, solltest du lieber früher als später Hilfe in Anspruch nehmen, wobei diese Hilfe verschieden Aspekte abdecken kann:

Die meisten Hochschulen haben psychosoziale Beratungsstellen, wo du neidrigschwellige und meist kostenlose Einzelberatung in Anspruch nehmen kannst. Hier bekommst du zumindest eine erste Einschätzung und eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen.

Wenn du bereit bist etwas Geld zu investieren, kannst du dich von einem professionellen Wissenschaftscoach begleiten lassen. der ganz individuell auf dich und deine Bedürfnisse eingeht und dir als Motivator, Sparringspartner und Mentor zur Seite steht.

Unter Umständen kann ein solches Sparringspartnermodell auch mit einem Kommilitonen /einer Kommilitonin aufgebaut werden. Dann sollte man aber unbedingt darauf achten, dass beide Partner wirklich auf Augenhöhe kommunizieren und sich gegenseitig gleichermaßen motivieren können. Beide müssen zum regelmäßigen Austausch bereit sein, sind in den anderen hineindenken und dessen Aussagen gegebenenfalls hinterfragen können, auch noch wenn der Prüfungstermin näher rückt.

Speziell bei ausgeprägten Angstsymptome, depressiven Verstimmungen und anderen psychischen Beschwerden, die dich belasten, solltest du den Besuch beim Psychotherapeuten nicht von vornherein ablehnen. Im Rahmen einer psychotherapeutischen Sprechstunde oder Akutbehandlung kannst du genau diese Symptome ansprechen, verstehen und auch in den Griff bekommen.

Der Tag der Prüfung

Den Prüfungstag selbst solltest du unbedingt gut vorbereiten und aktiv gestalten, das macht einen riesigen Unterschied. Beginne am besten schon am Vortag, indem du bewusst das Lernen beendest und dir etwas schönes, entspannendes gönnst. Packe alles zusammen, was du für die Prüfung brauchst (Stifte, Taschentücher, Formelsammlung, Taschenrechner, Stethoskop, Kittel, …), informiere dich, wo genau die Prüfung stattfindet (und wie du dort hinkommst), leg dir passende Kleidung raus, gehe rechtzeitig ins Bett und widerstehe der Versuchung doch noch mal ein Fachbuch aufzuschlagen (es bringt nichts!!).

Stehe am nächsten Morgen so frühzeitig auf, dass du sicher keinen Stress hast, iss etwas vernünftiges oder packe es ein, nimm ein Getränk mit und gehe so rechtzeitig los, das du ausreichend Puffer hast. Meide alle Menschen, die Panik verbreiten und mach noch ein paar Atemübungen, wenn du das brauchst. Diese kannst du auch während der Prüfung wiederholen (selbst in einer mündlichen Prüfung) und mach dir nochmal klar, dass dir nichts passieren kann.

Gestalte deinen eigenen Erfolg

Prüfungsangst ist völlig normal und bis zu einem gewissen Grad auch hilfreich. Wenn sie allerdings zu einer Belastung wird, solltest du dagegen angehen. Du bist einer Prüfungssituation nämlich nicht hilflos ausgeliefert, sondern kannst sie über gute Vorbereitung, Erkennen deiner (falschen) Überzeugungen und Achtung deiner eigenen Kapazitäten sehr gut mitgestalten.

In diesem Sinne wünsche ich dir ganz viel Erfolg!

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