Ganz oft hört man, dass man einfach mal loslassen, einfach mal locker lassen soll. Das Loslassen gilt schon fast als Allheilmittel. Loslassen, Entspannen, Lockerlassen, alles in etwa das gleiche, soll helfen gegen Stress, gegen Gedankenkreisen, gegen Erschöpfung, ja eigentlich wirklich gegen alles.
Tatsächlich glaube ich auch, dass es wirklich weit hilft Belastendes loszuwerden, Ballast abzuwerfen und das Leben ein Stück weit einfacher zu gestalten. Die Frage allerdings, die ich oft gestellt bekommen, lautet: Wie kann ich denn loslassen? Woher weiß ich denn, was ich loslassen soll?
Meist ist uns gar nicht so klar, dass es etwas gibt, das wir loslassen sollten, wir spüren oft nur den Druck und die Belastung. Das Leben und all unsere Verpflichtungen drohen uns über den Kopf zu wachsen, alles wird ganz schnell zu viel, wie sind unausgeglichen, reizbar, nervös und stehen teilweise richtiggehend neben uns. Wir fühlen uns überfordert und erschöpft, nichts scheint zu laufen und wir habe den Eindruck, dass sich alle gegen uns verschworen haben.
Wenn du einige oder alle dieser Symptome hast, dann solltest du ganz dringend etwas loslassen, bevor es schlimmer wird.
Im Folgenden zeige ich dir fünf Wege, die einzeln oder in Kombination angewandt, einen wichtigen Teil dazu beitragen können, dein Leben wieder zu entrümpeln und von seelischem Ballast zu befreien.
1. Weg – körperliche Entspannung
Wenn du einen Ball in der Hand hältst und dich jemand auffordert diesen loszulassen, musst du nicht darüber nachdenken, wie das wohl geht und was du dafür tun musst. Du öffnest einfach deine Hand und der Ball ist frei! Diesen Weg über den Körper kannst du auch nutzen um seelischen Ballast frei zu geben und zu entspannen. Stress und Anspannung schlägt sich auf den Körper nieder, also mach dich auf die Suche nach deinen körperlichen Verspannungen, nach deinen äußerlich spürbaren Belastungen.
Für die meisten Menschen funktioniert es am besten, eine aktive Anspannung herbeizuführen und diese dann ebenfalls aktiv zu lösen. Beim Lösen kann man Verspannungen sehr gut aufspüren und manchmal auch gleich schon auflösen.
Beginne systematisch die einzelnen Muskelgruppen von unten nach oben erst anzuspannen, dann wieder zu entspannen, am besten die rechte und linke Seite getrennt. Also beginne mit dem rechten Fuß, dann kommt der linke Fuß, der rechte Unterschenkel, der linke Unterschenkel, der rechte Oberschenkel, der linke Oberschenkel, der Rumpf, Bauch, Rücken, die Arme, Nacken, Gesicht und Kopf. Lass dir ruhig Zeit bei dieser Übung, vor allem für die Entspannung. Diese Übung kann man besonders gut im Liegen durchführen, z.B. auch abends im Bett.
Wenn du gern eine Anleitung hast, dann kann dir mein Audio zur Körperentspannung vielleicht weiterhelfen. Idealerweise machst du diese Übung regelmäßig, dann wirkt sie auch schon präventiv.
2. Weg – Stressoren entlarven
Die meisten von uns sind oft gestresst, wobei die Ursachen so mannigfaltig wie die Menschen sind. Viele von uns haben zu viel zu tun und zu viele unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen.
Hier steckt sehr viel Potenzial drin, etwas belastendes loszulassen. Mach dir klar, dass du nur eine einzige bist und ganz sicher nicht für alles zuständig. Mach dir eine Liste mit den Dingen die du zu erledigen hast und die dich belasten, auch dann wenn du sie eigentlich gern machst. Was stresst dich im Job oder im Privaten am meisten? Was sind die Dinge, die dich nachts nicht schlafen lassen? Wovor hast du Angst? Was wird dir schnell mal zuviel?
Jetzt gehe die Liste einmal, zweimal, dreimal kritisch durch und streiche alles, das doch nicht ganz so wichtig ist, das einfach noch eine Weile warten kann, das du eh schon ewig vor dir herschiebst. All diese Dinge machst du nicht mehr und du verschwendest auch keinen Gedanken daran! Sollten sie doch wieder wichtiger werden, schleichen sie sich schon wieder in dein Leben rein, darüber musst du dir wirklich keine Sorgen machen.
Für alle anderen Punkte überlegst du dir, welche Ressourcen und welche Unterstützung du zur Verfügung hast. Also was kannst du gänzlich delegieren, bei welchen Aufgaben kannst du dir Hilfe holen, welche Aufgaben kannst du vielleicht vereinfachen? Am Schluss sollten für dich nur noch Aufgaben bleiben, die du gut kannst und gern machst. Alles andere solltest du loslassen und anderen überlassen.
3. Weg – Glaubenssätze erkennen
Als Glaubenssätze bezeichnet man die tiefsten Überzeugungen über sich selbst, die dem Einzelnen vielfach gar nicht bewusst sind. Es gibt förderliche Glaubenssätze, die uns da hin gebracht haben, wo wir stehen, die bestimmte Leistungen und Zielerreichung erst möglich gemacht haben. Es gibt aber auch viele hinderliche Glaubenssätze, Überzeugungen des inneren Kritikers, die uns blockieren und behindern.
Oftmals sind es gar nicht so sehr die äußeren Umstände, die uns das Leben schwer machen, sondern es sind unsere eigenen Interpretationen und Überzeugungen, die uns im Weg stehen. Natürlich ist es nicht ganz einfach an unsere eigenen Glaubenssätze ranzukommen, aber es ist möglich.
Auch wenn uns unsere innersten Überzeugungen nicht bewusst sind, erzeugen sie Ergebnisse im Außen. Denke an die Dinge, die schief laufen in deinem Leben, die einfach nicht klappen wollen, mit denen du nicht gut zu Recht kommst. Wie denkst du darüber? Was für eine Person bist du in deinen eigenen Augen aufgrund dieser Dinge? Worüber bekommst du Recht, wenn die gleiche Sache wieder schief läuft?
Egal ob es dir komisch vorkommt oder sogar peinlich ist, schreibe auf, was dir in den Kopf kommt. So kommst du immer näher an deine Überzeugungen über dich selbst. Wenn du einen hinderlichen Glaubenssatz wirklich erkannt hast, ist es nur noch ein kleiner Schritt ihn zu verändern. Es geht nämlich nicht darum, ihn los zu werden, du solltest ihn nur so sehr erweitern, dass er dich nicht mehr beschränkt. Du sollst ihn nicht ins Gegenteil verkehren, sondern nur in einen neuen, weiteren Kontext setzen.
4. Weg – Erwartungen abschütteln
So ganz frei ist wohl niemand davon: dem Gefühl den Erwartungen unseres Umfelds gerecht werden zu müssen. So willst du vermutlich auch nicht nur den Kindern eine gute Mutter sein, sondern auch in Kita und Schule als interessierte und fürsorgliche Mutter wahrgenommen werden. Deinem Chef willst du beweisen, dass du auch mit kleinen Kindern zuhause immer noch genauso leistungsfähig bist wie deine Kollegen. Außerdem hast du das Gefühl, dass du möglichst gut aussehen und eine liebevolle Partnerin sein solltest.
Bis zu einem gewissen Punkt ist es unproblematisch, den Erwartungen von Freunden, Familie und näherem Umfeld entsprechen zu wollen. Wenn du aber bereits viel Energie darauf verwendest die Erwartungen zu erspüren und dein Leben stark daran ausrichtest, dann wird dies zu einem Stressfaktor, den du besser abschütteln solltest. Wenn die Meinung der anderen Menschen wichtiger wird als dein eigenes Gefühl und dein Wohlbefinden, dann solltest du etwas ändern.
Geh einmal von dir aus, welche Erwartung hast du an deine Eltern, deine Freunde oder deine Kinder? Was ist, wenn sie deine Erwartungen nicht zu 100% erfüllen? Kannst du sie dennoch achten und lieben? Vermutlich beantwortest du diese Frage mit „ja“. Warum gestehst du dir dann nicht das Gleiche zu? Auch du musst nicht alle Erwartungen anderer Menschen erfüllen. Nicht mal die Erwartungen wichtiger Personen und erst recht nicht die Erwartungen von weniger nahestehenden Menschen, sofern diese überhaupt Erwartungen haben. Oftmals ist es nur die eigene Unsicherheit, die uns vermuten lässt, das die anderen Ansprüche haben, denen wir nicht genügen können.
5. Weg – Perfektionismus abbauen
Natürlich haben wir auch selbst Ansprüche an uns, oftmals sind diese sogar noch viel höher als die anderer Menschen. Wir setzen uns selbst enorm unter Druck, wir machen unseren Selbstwert abhängig von unserer Leistung. Auch hier liegen Glaubenssätze zugrunde, ganz tiefliegende über unsere Persönlichkeit und Identität, die sich nicht so leicht verändern lassen. Das ist aber auch gar nicht unbedingt erforderlich.
Die Belastung tritt dann auf, wenn wir spüren, dass wir mehr Aufwand auf eine Tätigkeit verwenden als eigentlich gut und erforderlich ist. Wir tun es dennoch, weil wir das Gefühl haben sonst nicht gut genug oder wertvoll genug zu sein. Tatsächlich kann es sehr befriedigend sein an einem Bild, einer Torte, einem Schriftstück oder irgendeinem anderen Werk so lang zu feilen, bis es wirklich perfekt ist. Das erfüllt mit Stolz und bereitet große Freude.
Wenn allerdings nichts fertig wird, weil es nie gut genug erscheint, oder wenn alles unglaublich lang dauert, dann hat das nichts mit Freude zu tun. Deshalb geht es nicht darum, deine Ansprüche runterzuschrauben oder schlechte Arbeit zu leisten, nein, ganz und gar nicht. Es geht darum Prioritäten zu setzen und sich zu fokussieren. Verlege deine Anstrengungen auf die Dinge, die dir wirklich wichtig sind. Beim Rest kannst du auch einfach mal „fünf gerade sein lassen“. Überlasse anderen die Aufgaben, auch wenn sie es nicht so gut machen wie du, lasse bewusst eine Aufgabe ungetan und beobachte, was das mit dir macht, richte deinen Blick auf das Schöne und nicht auf die dreckigen Ecken.
Beim Thema „Loslassen“ kommt mir immer der Satz: Wir können etwas nicht loslassen, weil wir es noch immer festhalten.
Es gibt da also etwas, was noch gelöst werden will. Die von Ihnen vorgestellten Möglichkeiten sind ein Weg dahin – ergänzen will ich noch: Wir können manche Dinge auch nicht loslassen, weil sie uns auch noch schützen wollen.
Danke für diese Ergänzung, sicherlich ein wichtiger Punkt.
Wenn wir eine Sache (noch) nicht loslassen wollen oder können, weil wir uns schützen, und sie uns gleichzeitig belastet, dann ist es sicherlich wichtig zuerst einmal anzusehen, was uns das festhalten bringt, welchen Gewinn wir daraus haben.
Wenn ich bei einer Sache erkannt habe, dass der Gewinn, den ich durch das festhalten daran erziele, groß und wichtig für mich ist, dann kann ich mich auch ganz bewusst entscheiden weiterhin daran festzuhalten. Das ist auch in Ordnung! Loslassen ist nicht die einzige Möglichkeit.