Heute habe ich wieder einen ganz besonderen Gastartikel von der großartigen Anja Riemer-Grobe für dich. Anja bietet Beziehungsberatung für Paare und Familien an. In ihrer Beratung bringt sie den Fokus auf die positiven Momente und legt viel Wert auf einen wertschätzenden und liebevollen Umgang.
Genau diese Wertschätzung und den Respekt, den sie ihren Klientinnen genauso wie ihren Kindern entgegen bringt, kann man auch ganz deutlich in ihrem Beitrag spüren.
Ich wünsche dir viel Freude beim Lesen.
„Mach jetzt deine Hausaufgaben!“
„Räum dein Zimmer auf!“
„Kannst Du nicht endlich mal still sein?“
Hast Du solche Sätze so oder so ähnlich auch schon zu deinem Kind gesagt? Und wahrscheinlich nicht nur einmal. Ich wette, dass jede Mutter diese Situationen kennt.
Besonders wenn es schon die 3., 4. oder x-te Aufforderung ist und dein Kind einfach auf Durchzug schaltet, wirst Du von Mal zu Mal ungeduldiger und wahrscheinlich auch lauter. Dabei ist es doch nur eine Kleinigkeit, die Du erledigt haben willst. Und etwas, was eh regelmäßig gemacht wird. Warum musst Du es denn dann wieder und wieder sagen?
Das Geheimnis ist schnell gelüftet:
Unsere Kinder sind inzwischen so an diesen Befehlston gewöhnt, dass sie ihn schon gar nicht mehr wahrnehmen. Geschweige denn darauf reagieren. Und wenn sie gerade selbst in schlechter Stimmung sind, kann es sogar passieren dass sie pampig reagieren und Dir widersprechen.
Was kannst Du also tun?
Es gibt ein einfaches aber durchaus wirksames Wundermittel gegen solche Wortgefechte:
Probier es doch mal mit einer einfachen Bitte.
Ja, Du hast richtig gelesen. Eine ganz einfache Bitte wirkt oft viel besser als jeder Befehl. Das klingt jetzt natürlich erstmal viel zu schön, um wahr zu sein. Aber lass es Dir doch mal durch den Kopf gehen: Worauf reagierst Du eher? Wenn jemand Dich höflich um etwas bittet oder wenn jemand daher kommt und Dir sagt, was Du tun sollst? Genau, wahrscheinlich wirst Du demjenigen den Vorzug geben, der Dich nett fragt.
Ein Beispiel?
Nehmen wir mal an, dein Kind möchte, dass Du es zum Spielen bei den Nachbarskindern begleitest. Natürlich könnte es die paar Schritte zum Nachbarhaus durchaus alleine gehen, aber vielleicht fühlt es sich aus irgendwelchen Gründen wohler, wenn Du mit ihm gehst. Dir passt es eigentlich gar nicht in den Kram, denn wenn Du dein Kind begleitest, müsstest Du die Wäsche liegen lassen. Also bist Du gerade überhaupt nicht in der Stimmung um auf irgendwelche Sonderwünsche deines Kindes einzugehen.
Wenn dein Kind jetzt sagt: „Mama, Du musst mich ganz schnell zum Nachbarn bringen. Der wartet schon auf mich!“ Was würdest Du antworten?
Richtig, die Antwort würde wohl ablehnend ausfallen. Denn schon die Situation weckt deinen Widerstand. Und die Art, wie dein Kind mit Dir gesprochen hat, verschärft das Ganze noch.
Was wäre aber wenn dein Kind zu Dir sagen würde: „Mama, kannst Du mich bitte zum Nachbarn bringen? Wir haben uns verabredet und ich möchte nicht allein gehen.“
Mh, klingt schon anders, oder? Und ich wette Du würdest jetzt wirklich drüber nachdenken, ob Du nicht die paar Minuten Zeit hast deinem Kind den Gefallen zu tun.
Und genauso geht es auch unseren Kindern. Wenn wir sie bitten ihre Zimmer aufzuräumen, die Hausaufgaben zu machen oder still zu sein, ist das für sie genauso unwichtig wie für uns das Begleiten ins Nachbarhaus. Denn sie sind zu dem Zeitpunkt mit für sie viel wichtigeren Dingen beschäftigt. Und wir „stören“ dabei. Dein Kind ist also in dem Moment auch nicht gerade dazu aufgelegt auf deine Wünsche einzugehen.
Deine Aufgabe als Mutter ist es nun deinem Kind klar zu machen:
Ich bitte Dich um etwas, was mir wichtig ist. Ich zwinge Dich nicht dazu, aber ich würde mich freuen, wenn Du es mir zuliebe erledigst. Wenn diese Botschaft ankommt, ist das Kind viel eher bereit mit Dir zu kooperieren.
Wie schaffst Du es also mehr zu Bitten und weniger zu Befehlen?
3 ganz einfache Dinge dafür sind:
- Benutze Modalverben wie Können, Dürfen, Mögen, Wollen…
Modalverben bieten Möglichkeiten an und schaffen daher keine Tatsachen. Das ist weniger streng als eine direkte Aufforderung und hilft dem Kind zu begreifen, dass Du einen Wunsch hast und keinen Befehl äußerst.
- Verwende unbedingt die Worte „Bitte“ und „Danke“
Dadurch bringst Du deinem Kind Wertschätzung und Respekt entgegen. Und zeigst ihm, dass Du ihm auf Augenhöhe begegnen willst. Ohne den strengen Mamatonfall.
- Sende Ich-Botschaften
Begründe kurz, warum Dir deine Bitte wichtig ist. Oder sage deinem Kind wenigstens, dass es Dir wichtig ist. So fühlt es sich nicht in die Enge getrieben, weil es das Gefühl hat etwas falsch gemacht zu haben. Sondern es merkt, dass Du in dem Moment ein wichtiges Bedürfnis hast, dass unabhängig von deinem Kind ist.
Was bringt Dir das?
Es bringt Dir auf jeden Fall mehr guten Willen. Denn wenn dein Kind merkt, dass Du deine Elternautorität und die damit verbundene Macht nicht gegen es wendest, wird es auf jeden Fall eher bereit sein Dir zu helfen. Denn Kinder sind feinfühlige Wesen, denen es durchaus wichtig ist, dass es auch Dir als Mama gut geht. Und wenn sie etwas dazu beitragen können, tun sie das auch gern.
Du siehst, manchmal ist es ganz einfach ein bisschen mehr Entspannung in dein Familienleben zu bringen. Und Du verbesserst dabei auch noch die Beziehung zu deinem Kind!
Fazit:
Wenn Du möchtest, dass dein Kind Dir hilft oder etwas für Dich tut, dann sei wohlwollend.
Benutze liebevolle und wertschätzende Worte, nimm Dir die Zeit für ein kurzes Gespräch statt nur einer schnellen Aufforderung und behandle dein Kind wie einen gleichwertigen Partner.
Dann fühlt es sich gesehen und ist eher bereit einen Schritt auf Dich zuzugehen.
Über die Autorin
Anja Riemer-Grobe ist konsequent-liebevolle Mädchenmama, Elternbegleiterin und Befürworterin eines wertschätzenden Miteinanders. Sie schreibt auf ihrem Blog unter www.praxis-zukunftschancen.de über die Themen Familie, Beziehung und Bindung und hilft anderen Eltern dabei sich selbst zu helfen, indem sie ihren ganz eigenen Familienlebensraum entwickeln. Ohne Druck und Stress von außen, dafür mit viel Liebe und Wertschätzung auf Basis von echten Beziehungen.
Zur Webseite: http://www.praxis-zukunftschancen.de/
Zur Facebookseite: https://www.facebook.com/zukunftschancen.praxis
PS: Kennst du diese Situationen auch? Welche Erfahrungen hast du mit Bitten vielleicht auch schon gemacht? Hinterlasse uns gern einen Kommentar unter diesem Beitrag. Auch wenn du Fragen an Anja hast, kannst du sie dort gern stellen.
Wir freuen uns natürlich auch besonders, wenn du diesen Beitrag in den sozialen Medien teilst.
Hallo Anja,
diese „Befehlston-Falle“ kennen wahrscheinlich alle Eltern.
Ich finde es auch vollkommen in Ordnung, wenn die Eltern auch nicht immer perfekt reagieren. Auch das gehört ja zum Leben.
Mit dem „Bitten“ ist es meiner Beobachtung nach, nicht immer getan. Es hängt sehr davon ab, wie der „normale“ Umgangston (und die normale Reaktion der Kinder darauf) ist.
Erziehung ist ja ein ganz heißes Eisen, weil Eltern sehr oft der Meinung sind, dass ihre Art zu erziehen die richtige Art ist .. oder dass es eben nicht anders geht, weil … das Kind eben nun mal so reagiert, … das Kind hochbegabt ist … das Kind einfach ein ganz besonderes Kind ist …
Als unser erstes Kind geboren wurde, haben meine Frau und ich sehr viele Erziehungsbücher gewälzt und uns oft „gezofft“, um schließlich unseren gemeinsamen Erziehungstil zu finden.
Im Laufe der Zeit ist mir aufgefallen, dass viele Elternhäuser den Kindern keine Grenzen setzen und (aus meiner Sicht) die Kinder dadurch ihren Halt verlieren.
Wenn ich meine Kinder bitte etwas zu tun, wird das mit Sicherheit anstandslos funktionieren – das liegt aber aus meiner Sicht daran, dass wir auch „Kämpfe“ ausgefochten haben, bei denen ich mich als „starkes Gegenüber“ gezeigt habe. Es ist so schwer in Worte zu fassen, was ich meine.
Vielleicht trifft es am ehesten der Gedanke der Balance. Bitten „als etwa Weiches“ funktioniert nur, wenn die Grenzen „als etwas hartes“ klar sind. Nur damit das nicht falsch ankommt … ich setze Grenzen auch, indem ich mit meinen Kindern spreche und meinen Standpunkt vertrete, indem ich zeige, dass ich auch Wünsche und Bedürfnisse habe, die zu respektieren sind usw.
Vielleicht verstehst du, was ich meine .. es ist so schwer auszudrücken. 🙂
Henning
Lieber Henning,
ich denke ich verstehe sehr gut, was Du meinst. Und es ist sehr wichtig, was Du da ansprichst.
Aus meiner Erfahrung kann das Kind auf eine Bitte nur angemessen reagieren, wenn es vorher gelernt hat, dass jede Entscheidung Konsequenzen hat. Denn wenn ich der Bitte nachkomme hat es genauso eine Konsequenz, wie wenn ich die Bitte ablehne. Und ich muss in der Lage sein mit genau diesen Folgen meiner Entscheidung dann auch zu leben. Das ist ein Lernprozess und ich finde wir nehmen unseren Kindern eine große Entwicklungsmöglichkeit, wenn wir ihnen diesen Lernprozess nicht ermöglichen.
Deshalb ist es wichtig, wie Du schon schreibst, dem Kind auch meine eigenen Grenzen zu zeigen und ihm vorzuleben, dass auch ich die Verantwortung für die Entscheidungen trage, die ich treffe.
Ich nenne es immer gern einen Rahmen schaffen. Das heißt ich gebe dem Kind einen Rahmen vor, in dem es sich dann frei bewegen und entwickeln kann. Dieser Rahmen gibt nicht nur Orientierung und Halt, sondern ist auch für mich als eigenständige Person ein guter Grenzpunkt. Denn aus meiner Sicht hört mein Recht auf freie Entfaltung da auf, wo das Recht eines Anderen anfängt. Und das gilt auch und gerade für die Beziehung zwischen Eltern und Kind. Deshalb ist Grenzen setzen ein sehr wichtiger Punkt, der übrigens auch wieder mit Wertschätzung zu tun hat.
Ganz liebe Grüße
Anja
Danke Anja,
mein erster Impuls war: „Das klappt bei unserem Rebell sowieso nicht.“ 🙂
Aber ich werde das mitnehmen und erstmal testen.
Lieben Gruß,
David
Lieber David,
toll, dass Du es ausprobieren willst. Ich bin gespannt, ob es funktioniert. Gerade Kinder, die sonst eher Aufforderungen gewohnt sind, werden erstmal irritiert reagieren, wenn sich die Eltern plötzlich anders verhalten.
Magst Du uns über eure Erfahrungen auf dem Laufenden halten?
Ganz liebe Grüße
Anja
Hallo Anja,
ich habe es gestern probiert, erstmal noch ohne Erfolg.
Wir schimpfen ja nicht nur, sondern sagen auch oft Bitte und Danke.
Aber ich bleibe dran.
Lieben Gruß,
David
Liebe Anja,
ein sehr schöner Artikel und ich höre die Wertschätzung aus deinen Worten. Einen Punkt würde ich jedoch gerne hinzufügen. Wenn wir Kinder etwas fragen oder um etwas bitten, dann müssen wir auch ihr „Nein“ akzeptieren. Wenn ich also will, dass mein dreijähriger Enkel etwas macht, dann frage ich ihn nicht und bitte ihn auch nicht, denn sonst hat er die Möglichkeit „Nein“ zu sagen. Und auch das gehört für mich zur Wertschätzung, eine Antwort auf eine Frage zu akzeptieren.
Und manchmal habe ich das Gefühl die Eltern von heute fragen viel zu viel und „führen“ ihre Kinder dadurch nicht. Grundsätzlich erlebe ich unseren dreijährigen Enkel als ein Kind, das total begeistert ist mitzuhelfen, mitzumachen. Und auch ohne eine Frage oder Bitte, kann eine Aufforderung sehr wertschätzend und respektvoll sein.
Toller Artikel!
Liebe Grüße
Dee
Liebe Dee,
vielen Dank für deine Ergänzung, ja, ich sehe das auch so, ein wirklich wichtige Aspekt.
Viele Grüße,
Angelina
Liebe Dee,
ein sehr guter Punkt, den Du da ansprichst. Ich würde auf jeden Fall unterscheiden, ob Du eine Aufforderung machst oder eine Bitte aussprichst.
Bei einer Aufforderung hat das Kind kaum Spielraum für eigene Entscheidungen und ja nach Alter des Kindes und Situation ist es natürlich wichtig, auch mal eine Aufforderung zu machen. Allerdings finde ich, dass viele Eltern genau diese Aufforderungen überstrapazieren. Deshalb überlege ich vorher immer, wie wichtig und dringend die Angelegenheit denn jetzt wirklich ist. Muss die Aufgabe jetzt in genau diesem Moment erledigt werden?
Falls nein, greife ich persönlich dann doch lieber zur Bitte. Natürlich sollte das Kind dann auch die Möglichkeit haben, Nein zu sagen. Und selbstverständlich werde ich das als Mutter auch akzeptieren. Aber auch mir gestehe ich durchaus das Recht zu, auch mal Nein zu einer Bitte meines Kindes zu sagen.
Das Kind zu führen und ihm trotzdem die Möglichkeit zu lassen sich freiwillig und selbstständig für etwas zu entscheiden, schließt sich in meinen Augen nicht aus.
Ich denke es liegt in unserer Verantwortung als Eltern und Großeltern dem Kind diese Chance zu geben.
Ganz liebe Grüße
Anja
Das ist ein schöner Beitrag, Eine gute hilfreiche Erinnerung, die ich gleich mal bei meinen beiden umsetzen werde. Bin gespannt. Vielen Dank dafür.
LG Marieluise von greens4kids.de
Super, liebe Marieluise. Magst Du uns berichten, wie es bei Euch funktioniert hat? Viel Spaß beim Ausprobieren!
Ganz liebe Güße
Anja