Kürzlich habe ich eine Diskussion in einem Onlineforum mitgelesen, gestartet von einem Mutter, die das dringende Bedürfnis nach einer Auszeit dargelegt hat, einer mehrtägigen Auszeit ohne Kinder. Es kamen sehr viel Antworten, verständnisvolle Antworten, verschiedene mehr oder weniger wertvolle Tipps und vor allem auch viele Aussagen, die ähnliche Bedürfnisse formulierten. Und aus den Antworten wurde deutlich klar, dass diese Mutter mit ihrem Bedürfnis offensichtlich weder allein noch unverstanden war.
Pausen sind wichtig, keine Frage!
Wir können nicht dauerhaft Vollgas geben oder auch nur halbwegs konzentriert bei einer Sache sein. Wir alle brauchen kleine Pausen während jedes Tages und auch größere Pausen oder Auszeiten, in denen wir abschalten und wieder Kraft tanken können.
Es spricht auch überhaupt nichts dagegen, allein, ohne die Kinder wegzufahren, sei es mit dem Partner oder mit einer Freundin, auch wenn ich es noch nie getan habe und auch kein ernsthaftes Bedürfnis danach habe. Ich war schon früher niemand, der gern mit Freundinnen eine Shoppingtour oder ein Partywochenende gemacht hat. Das ist eben immer noch so.
Auszeit mit oder ohne Familie?
Unsere Wochenenden genießen wir als Familie. Meist unternehmen wir an einem Tag etwas zusammen und der andere ist für Erledigungen, Hausarbeit, Einkaufen und ähnliches bestimmt. In unregelmäßigen Abständen fahren wir auch gemeinsam weg. Oft nur ein paar Tage ans Meer oder in die Berge. Manchmal auch etwas länger, zwei bis drei Wochen am Stück, das ist dann unser Jahresurlaub.
Ein Wellnesswochenende oder ein Städtetrip mit der besten Freundin verspricht Spaß und Ablenkung. Und doch trat in der Forums-Diskussion deutlich zu Tage, dass einige Mütter wohl sehr stark unter Erschöpfungssymptomen leiden, viele Ihrer Beschwerden auf die Kinder zurückführen und sich gar nicht vorstellen können, anders Kraft zu tanken als durch eine mehrtägige kinderfreie Zeit, möglichst eine Zeit völlig ohne Verpflichtung, ganz so, wie vor den Kindern.
Da stellen sich dann ein paar Fragen: Was ist nach dem Wochenende oder dem Freundinnen-Urlaub? Wie geht es dann weiter? Ist es nicht nachher gleich noch schlimmer? Wie kann ich mich denn dauerhaft wohler fühlen? Und gibt es denn nicht auch Möglichkeiten das Leben MIT den Kindern zu genießen?
Kinder sind anstrengend, aber nicht nur
Auch ich bin manchmal genervt von meinen Kindern und vom Saustall in meiner Wohnung, ich kann ungeduldig und ungerecht werden und wünsche mir mehr Zeit zum Arbeiten. Ich möchte gern endlich wieder eine Nacht durchschlafen und nicht jeden Abend Diskussionen ums Zähneputzen und Schlafen führen. Und ich hätte auch nichts gegen ein gemütliches Frühstück im Bett am Sonntag Vormittag einzuwenden.
Gleichzeitig freue ich mich auf unsere gemeinsamen Wochenenden und Ferienzeiten. Ich plane und unternehme sehr gern Ausflüge und verschiedene Aktivitäten mit den Kindern und kann es auch genießen einfach mal zuhause zu bleiben. Nun gehe ich nicht davon aus, dass ich ein bessere Mutter bin. Auch bin ich keine Glucke, die Ihre Kinder nicht mal allein lassen kann. Nein, es ist einfach nur so, dass mir die Zeit mit den Kindern viel gibt und ich aus dieser Zeit Kraft schöpfe. Familienzeit bedeutet für mich nicht Anstrengung sondern Entspannung, trotz gelegentlicher Reibereien.
Warum ist es also für mich in dieser Hinsicht soviel einfacher als für andere Mütter? Ich habe drei Kinder im Altern von 2,5, knapp 5 und 7 Jahren, ich habe die meiste Zeit gearbeitet und wir haben keine Großeltern vor Ort, die aushelfen könnten. Meine Situation ist also ähnlich, wie die vieler andere Mütter. Es gibt auch bei mir die Tage, an denen alles schief geht und meine Kinder und die ganze Welt sich scheinbar gegen mich verschworen haben. Wenn ich einen frühen Termin habe, gibt es sicher Probleme beim Abgeben in der Kita und wenn ich unbedingt etwas fertig machen möchte, ist eines der Kinder krank. Wirklich im Flow bin ich sowieso genau dann, wenn ich los muss, um die Kinder zu holen und mit den Kindern zuhause geht bestenfalls etwas Hausarbeit, und selbst die dauert doppelt so lang wie sonst.
Ich denke, ich habe dennoch mit dem ersten Kind bereits etwas gelernt, dass mir vieles sehr stark erleichtert. Ich habe gelernt meine eigenen Bedürfnisse wahr zu nehmen und auch ernst zu nehmen. Es ist für mich inzwischen einfach und auch völlig selbstverständlich, dass ich mich um mich selbst kümmere und gut für mich sorge. Meist sind das keine großen Sachen, es ist mehr die Beständigkeit die den Unterschied macht.
Meine vier wichtigsten Methoden habe ich hier zusammengefasst
1. Kleine Auszeiten nehmen
Auch wenn ich geschrieben habe, dass ich noch nie ohne Kinder im Urlaub war, heißt das nicht, dass ich mir keine Auszeiten gönne. Ich halte Auszeiten sogar für sehr wichtig, sie können aber auch kurz sein und müssen gar nichts so besonderes sein. Schon als meine Kinder noch ganz kleine Babys waren, habe ich es mir gegönnt, ganz entspannt und gemütlich unter der Dusche zu stehen, wenn mein Mann da war oder ich wusste, dass das Kind schläft. Ich genieße es auch sehr Sport zu machen und ein bis zwei Stunden im Fitnessstudio zu verbringen. Das mache ich entweder abends, wenn die Kinder im Bett sind oder noch bevor ich sie aus der Kita hole. Die gemeinsamen Abende mit meinem Mann zelebrieren wir ganz bewusst. Manchmal gehen wir tatsächlich raus, meist bleiben wir aber einfach zuhause, machen vielleicht einen Wein auf und setzen uns ins Wohnzimmer. Wir nehmen uns regelmäßig etwas Zeit für uns, jeder für sich und auch füreinander. Natürlich erfordert es einige Absprachen, aber sobald die Wünsche und Bedürfnisse formuliert werden, ist das oft gar nicht mehr so schwierig zu realisieren. Es kann auch mal eine Babysitterin einspringen, die Kinder finden das meist sehr spannend, da alles etwas anders abläuft. als gewohnt. Auch während der Arbeit kannst du z.B. die Mittagspause nutzen, um dich bewusst zurückzuziehen oder nette Menschen zu treffen. Du kannst dich in der Sonne entspannen, spazieren gehen oder sogar Sport machen. Es gibt keine Verpflichtung jeden Tag mit den immer gleichen Kollegen zum Mittagessen zu gehen. Probiere einfach mal was neues aus!
2. Perfektionismus verabschieden
Ein Thema, das uns Müttern das Leben so schwer macht und mit vor allem auch immer und immer wieder begegnet. ist der Perfektionismus. Viele von uns tragen einen Glaubenssatz wie „ich bin nicht gut genug“ oder „ich bin nur gut, wenn ich etwas leiste“ mit sich herum. Auch Vorstellungen wie „ich muss das allein schaffen“ oder „ich muss es allen recht machen“ legen uns ziemliche Stolpersteine in den Weg. Die scheinbaren Vorbilder aus den bunten Blättern, die Job und Familien problemlos untere eine Hut bringen und dabei immer top gestyled sind und toll aussehen, machen es uns auch nicht gerade einfacher unsere Ansprüche an uns etwas herunter zu schrauben. Es muss ja nicht in jedem Bereich sein, aber sicherlich gibt es etwas, dass auch weniger perfekt immer noch gut genug ist. Oder muss die Wohnung wirklich jeden Abend aufgeräumt sein? Kann das schmutzige Geschirr nicht auch mal etwas länger stehen bleiben? Kann es abends nicht auch mal kaltes Essen geben? Musst du wirklich auch noch ein weiteres Amt übernehmen? Muss unbedingt jedes Kind an einem anderen Tag zum Sport gefahren werden? Und kannst du nicht vielleicht doch weniger arbeiten? Oder kannst du nicht doch bestimmte Aufgaben im Job oder zuhause jemandem anders übertragen, selbst auf die Gefahr hin, dass sie nicht perfekt ausgeführt werden? Hinterfrage deine Erwartungshaltung an dich selbst und erwarte von dir nicht ständig mehr als von allen anderen.
3. Prioritäten setzen
Was ist dir wirklich wichtig im Leben? Was treibt dich an? Was bewegt dich tief in deinem Innersten? Klar, du hast einen anspruchsvollen Job, du hast deinen Kinder und den Haushalt und irgendwie muss das alles gemanaget werden. Was sollst du dir da auch noch Gedanken um deine Prioritäten machen? Du hast so viele Verpflichtungen, dass du dich nicht drum kümmern kannst, was du eigentlich wirklich willst? Das ist der direkteste Weg in die chronische Unzufriedenheit oder sogar ins Burn-Out. Das Leben findet schließlich immer nur genau jetzt statt. Wenn du darauf wartest, dass irgendwann in der Zukunft etwas besser wird, verpasst du jetzt deine Chance für ein schönes und genussvolles Leben. Es sind die Dinge, die dir einen tieferen Sinn geben, die dich nachhaltig glücklich und gesund machen. Also mach dir bewusst, was dir wichtig ist, was du gern machst und was du gut kannst. Alle anderen Dinge streiche von deinen ToDo-Listen und aus deinem Leben. Wenn du wirklich, wirklich der Meinung bist, dass du etwas nicht streichen kannst, dann delegiere diese Aufgabe. Wenn sie wirklich, wirklich nicht delegiert werden kann, dann finde einen Weg sie so zu verändern, dass du sie vielleicht doch gern machst. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die aus einer lästigen Verpflichtung ein Vergnügen machen. Es kann schon ausreichend sein, dass du dich bewusst dafür entscheidest eine Aufgabe selbst übernehmen zu wollen. Wenn du dich deinem Leben auf diese Weise näherst, wirst du überrascht sein, wieviele scheinbare Sachzwänge sich bei kritischer Beurteilung einfach in nichts auflösen.
4. Gesunde Routinen etablieren
Die wichtigste Grundlage für unsere Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit ist unsere eigenen Gesundheit. Eigentlich wissen wir auch alle, wie wichtig ausreichend Schlaf, ausgewogenes Essen, ausreichend Bewegung und regelmäßige Entspannung für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden sind. Dennoch sparen wir oft zuerst an diesem Bereich, wenn wir Zeit sparen wollen. Die Zeit wird dadurch allerdings nicht wirklich mehr, nur die Qualität unserer Zeit nimmt ab. Mit kleinen Kinder ist es oft schwierig zu den gewohnten Zeiten und in der erforderlichen Menge Schlaf zu bekommen. Umso wichtiger ist es, nicht auch noch mehr Schlaf abzuzweigen. Bewegung und ausgewogene Ernährung können mit etwas Vorbereitung gut in den Alltag eingebaut werden. Vielleicht kannst du für den Weg zur Arbeit das Fahrrad wieder flott machen oder du läufst einfach ein Stück. Statt zum Telefonhörer zu greifen, kannst du dem Kollegen einen kurzen Besuch abstatten, und auf dem Spielplatz musst du nicht am Rand auf einer Bank sitzen. Gesunde Snacks gibt es in jedem Supermarkt, wenn du am Wochenende etwas mehr kochst, hast du schon fertiges Mittagessen für den einen oder anderen Werktag und auch in jeder Kantine gibt es Salate oder schmackhafte Gemüsebeilagen. Auch kurze Momente der Entspannung kannst du dir beim Aufstehen oder Schlafengehen, am Schreibtisch oder beim Kochen immer wieder gönnen. Es ist kaum eine Frage der Zeit, hauptsächlich nur eine Frage der bewussten Entscheidung. Wenn gesundheitsbewusstes Verhalten zur Routine geworden ist, erfordert es wirklich keinerlei Mehraufwand und die Effekte zeigen sich jeden Tag. Du wirst belastbarer, hast mehr Power und Widerstandsfähigkeit und wirst seltener krank.
Ich hoffe ich konnte dir ein paar Inspirationen mitgeben. Die Liste der möglichen Schritte ist natürlich noch beliebig erweiterbar und mir ist auch klar, dass nicht jeder Vorschlag für jede Mutter passt.
Ich will dir auch nicht das Wellnesswochenende oder den Shoppingtrip madig machen.
Wenn du wegfährst, dann tu das doch, weil du wirklich Freude dran hast, nicht weil du unbedingt raus musst!
Klasse Artikel. Auch ich bin gerade zufällig darauf gestoßen, da ich Tipps suchte wie ich besser meine Bedürfnisse als Mutter erkennen und sie auch, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, befriedigen kann.
Gerade nehme ich mir solch eine kleine Auszeit, um nur für mich zu sein und in unserem Urlaubsort auf der Terrasse zu sitzen und zu lesen, während mein Mann mit unserem Sohn unterwegs ist. Das anfängliche schlechte Gewissen ist weg und ich genieße es.
Dein Artikel gib mir gute Tipps wie ich mir jeden Tag immer wieder diese kleinen Auszeiten nehmen kann. Ich brauche sie wirklich und werde ungenießbar, wenn ich nur noch funktioniere und für die Familie da bin.
Es liegt an mir. Ich bin für mich verantwortlich. Danke noch einmal, dass mir dieser Artikel die Augen dafür geöffnet hat.
Ich bin zufällig auf diesen Text gestoßen und finde ihn absolut treffend und so super formuliert! Dahinter steckt ja, dass man am Ende des Tages wirklich selbst verantwortlich für seine Zufriedenheit ist. Nicht der Mann , die Kinder , der Chef etc … In Wahrheit kann man viel mehr ändern als man denkt, auch wenn man sich (als Mutter ) ständig fremd gesteuert fühlt …
Sehr schön gesagt. Und vielen Dank für das Lob!