Es ist ja nun schon eine ganze Weile her, dass ich diese Mini-Serie zu Achtsamkeit auf meinem Blog begonnen habe. Ich möchte aber nicht unter den Tisch fallen lassen, dass ich bislang immer noch den dritten Teil schuldig geblieben bin, zum Thema in welchen Bereichen dein Leben mehr Achtsamkeit vertragen kann und wie du dir die nötigen Kompetenzen dafür aneignest. Diese Versäumnis möchte ich heute endlich nachholen.
Wer braucht denn überhaupt Achtsamkeit in seinem Leben?
Ist Achtsamkeit vielleicht nicht einfach nur eine Modeerscheinung und eigentlich völlig überflüssig?
Ich möchte die Frage einfach mal anders formulieren: wer kann es nicht brauchen, sein Leben ein wenig gelassener und entspannter anzugehen? Gibt es irgendjemanden, der völlig in sich ruht und mit seinem Leben vollauf zufrieden ist, so wie es ist?
Vermutlich gibt es so jemanden, irgendwo auf der Welt. Auf die meisten von uns trifft diese Beschreibung aber wohl weniger zu.
Und auch wenn es gar nicht darum geht, Erleuchtung oder ähnliches zu erlangen, so haben wir es dennoch in der Hand, unser Leben selbst zu gestalten und zu entschleunigen, um mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden zuzulassen. Ich behaupte, ein entschleunigtes, achtsames und bewusstes Leben, ist der Schlüssel zu mehr Wohlbefinden, mehr Sinnerleben und einem insgesamt erfüllteren Leben. Dabei geht es keinesfalls darum bestimmte Regeln der Achtsamkeit besonders pflichtbewusst zu erfüllen oder etwas bestimmtes zu erreichen. Es geht einfach darum, bedürfnisorientiert zu leben und die eigenen Stressoren und Zeitdiebe in ihre Schranken zu weisen. Ein bewusster Umgang mit den eigenen Herausforderungen und Glaubenssätzen bahnt den Weg zu einem gesunden und erfüllten Leben.
Vielleicht fragst du dich jetzt: Woher weiß ich dann, in welchen Bereiche ich achtsamer sein sollte? Welche Bereiche meines Lebens sollte ich entschleunigen?
Achsamkeit kann in allen Bereichen des Lebens Einzug halten. Es ist möglich achtsamer zu sprechen und achtsamer zu essen. Achtsamkeit kann bedeuten aufmerksamer zuzuhören, weniger Dinge gleichzeitig zu tun, bewusst zu genießen oder auch bewusst zu entspannen. Achtsamkeit ist alles, was mir ermöglichst präsent im Moment zu leben und bewusst bei meiner Tätigkeit zu sein, wobei es vollkommen egal ist, welche Art von Tätigkeit es ist und ob ich diese für wichtig erachte. Auch achtsames Warten oder achtsames Einkaufen sind durchaus möglich und unter Umständen sogar sehr erstrebenswert, vor allem dann, wenn eine solche Tätigkeit Stress oder Ärger für mich bedeutet. Achtsamkeit entschleunigt das Leben.
Wenn du wissen möchtest, in welchen Lebensbereichen du achtsamer sein solltest, wo es für dich den besten Effekt zeigen könnte, dann frag dich:
Welche Gelegenheiten in deinem Leben, welche Tätigkeiten oder welche Situationen fressen am meisten Zeit ohne dich zu befriedigen?
Und was ist es, dass dich am meisten stresst, was dir regelmäßig deinen Tag versaut, wodurch du immer wieder schlecht drauf kommst?
Vielleicht ist es der morgendliche Stau auf dem Weg in die Arbeit, oder das ständig Warten auf deine Kinder. Vielleicht ärgerst du dich über dich selbst, weil du zu viel Zeit mit den sozialen Medien oder allgemein im Internet verbringst. Vielleicht bist du aufbrausend und sagst schnell Dinge, die dir nachher leid tun. Oder du leidest unter Sodbrennen und/oder Übergewicht, weil du zu schnell und zu viel isst.
Ganz egal welcher Bereich dich belastet, eine achtsame Herangehensweise an diese Situationen kann dir dein Leben stark vereinfachen, ganz schnell und unkompliziert.
Was steht steht denn dem achtsamen Umgang im Weg?
Warum sind die meisten Menschen so un-achtsam und acht-los?
Jeder Mensch versucht unangenehme Erfahrungen aus dem Weg zu gehen und schlechte Gefühle zu vermeiden. Wenn uns etwas stresst und belastet, dem wir im Moment nicht entgehen können, dann versuchen wir, die damit verbundenen schlechten Gefühle nicht wahrzunehmen und möglichst zu überdecken. Wir lenken und ab, reden uns etwas ein, versuchen uns zu betäuben oder blocken den Zugang zu unseren Gefühlen ganz generell ab. All das ändert aber nichts daran, dass unsere Gefühle und Empfindungen da sich und Auswirkungen auf unsere Psyche und unseren Körper haben.
Zudem macht es uns das moderne Leben auch noch extrem leicht, uns abzulenken und nicht mit unseren Gefühlen oder unserem realen Leben zu befassen. Wir können immer und überall chatten, Videos gucken, Fotos posten und Status-Updates schicken. Internet und Smartphones fordern unsere Aufmerksamkeit, ziehen sie von anderen Dingen ab und zerstückeln sie. In der Werbung und den Fernsehshows sehen wir dann auch noch das schillernde Leben der Reichen und Schönen, das uns mit unproduktiver Lust erfüllt, selbst dann, wenn wir es nicht für die Realität halten.
Wir tun alles mögliche, um nicht mit unseren schlechten Gefühlen in Kontakt zu kommen. In einem ruhigen Moment kommen sie dann allerdings umso massiver zu uns zurück und fordern unserer Aufmerksamkeit.
Es ist also viel sinnvoller, die schlechten Gefühle gleich an ihrem Ursprung wahrzunehmen und anzuerkennen. Wir haben es nämlich durchaus in der Hand, diese Gefühle und Empfindungen umzuwandeln und für uns zu nutzen.
Wie kannst du achtsamer sein?
Willst du nun wissen, wie du achtsamer sein kannst? Was du dafür beachten musst? Oder hast du vielleicht sogar Zweifel, ob du überhaupt achtsam sein kannst?
Ich versichere dir, Achtsamkeit, vor allem im Sinne einer Alltagsachtsamkeit ist kein Hexenwerk und nichts was besonders schwierig ist. Es ist allerdings eine ganz bewusste Entscheidung und erfordert regelmäßige Übung, eventuell auch gegen innere oder äußere Widerstände.
Wie kannst du also achtsamer werden? Ich möchte dir im folgenden ein paar einfache Übungen in verschiedenen Lebensbereichen zeigen, du du einzeln oder auch alle für dich ausprobieren kannst. Die Effekte kannst du dann selbst am besten beurteilen
1. Versuche dich in achtsamer Kommunikation
Die Art und Weise wie wir sprechen beeinflusst ganz stark unserer Wahrnehmung und unser Verständnis der Umwelt. Achte einmal auf deine Sprache. Welche Begriffe verwendest du besonders häufig? Mit welchen Bildern arbeitest du? Was möchtest du daran vielleicht ändern? Achte besonders darauf, wie oft du „ja, aber…“, „ich muss…“, „nur noch schnell…“ oder „noch kurz“ sagst und versuche diese Worte aus deinem Wortschatz zu streichen. Sie bringen dich nicht weiter, sondern sind bestenfalls geeignet dich unter Stress zu setzen.
2. Übe dich in Genuss
Achtsamer Genuss beim Essen ist eine Übung die bereits von Anfang an viel Freude bereitet und erstaunliche Erfahrungen liefert. Suche dir hierfür eine (Zwischen-)Mahlzeit aus, die du magst (vielleicht nicht unbedingt das Kantinenessen). Nimm dir viel Zeit das Gericht mit allen Sinnen zu erfassen, also sieh es dir an, betaste es, fühle, rieche und schmecke ganz bewusst und ausgiebig. Mach das mit jedem Bissen, bis zu satt bist. Natürlich kannst du auch in anderen Bereichen achtsamen Genuss üben, ganz nach persönlichen Vorlieben.
3. Praktiziere Wertschätzung
Ein Kernelement der Achtsamkeitspraxis ist die wertfreie Anerkennung dessen was ist. Genau dieser wertfreie Blick fällt uns meist sehr schwer, weil wir daran gewöhnt sind uns selbst, unsere Mitmenschen und unsere Umwelt sehr schnell abzuwerten. Aus diesem Grund solltest du dich zuerst einmal in positiver Wertung üben. Würdige die positiven Momente deines Tages und schenke dir selbst sowie deinen Mitmenschen ehrliche Anerkennung. Praktiziere täglich vor dem Spiegel und im Gespräch mit anderen Menschen.
4. Beende das Multitasking
Multitasking erhöht das Stresslevel und ist nachweislich stark fehleranfällig. Auch wenn es Gelegenheiten gibt, in denen es sich kaum vermeiden lässt, versuche nicht deine Multitaskingfähigkeiten zu optimieren, sondern reduziere diese Gelegenheiten. Du schaffst nicht mehr und wirst nicht früher fertig, wenn du mehrere Dinge auf einmal machst. Konzentriere dich auf eine Sache und beginne die nächste erst, wenn du die erste beendet hast. Du wirst schnell merken, dass du ruhiger und fokussierter wirst.
5. Verbinde dich mit deinem Atem
Der Atem fließt völlig von allein, das ist nichts womit wir uns bewusst beschäftigen müssen. Gerade deswegen ist die bewusste Konzentration darauf so gut geeignet uns zu beruhigen und zu erden. Verbinde dich am besten mehrmals am Tag mit deinem Atem. Beobachte ihn einfach nur, ohne einzugreifen. Achte mehrere Atemzüge lang auf jede Einatmung und Ausatmung. Du wirst merken, dass die Atmung nach einer Weile ganz von allein ruhiger wird und Angst und Nervosität sich langsam auflösen.
6. Schaffe dir Rituale
Morgen- und Abendrituale helfen nicht nur Kindern besser in den Tag zu starten und einfacher die Nacht einzuläuten. Ein einfaches Morgenritual kann sein, vor dem Aufstehen noch kurz am Bettrand sitzen zu bleiben, zwei- bis dreimal bewusst ein- und auszuatmen und sich kurz zu fokussieren, was am heutigen Tag ansteht. Ein ganz einfaches Abendritual kann beispielsweise aus der täglichen Tasse Tee vor dem Schlafengehen bestehen. Die Ausgestaltung der Rituale kann sehr verschieden sein, wichtig ist nur der verlässliche, wiederkehrende Ablauf.
Fazit
Achtsamkeit im Alltag bedeutet bewusst den gegenwärtigen Moment wahrzunehmen und zu erleben, sich zu fokussieren, nur eine Sache gleichzeitig zu machen, präsent zu sein und einfach zuzulassen was ist. Achtsamkeit kann in jeden Bereich des Lebens Einzug halten.
Achtsamkeit zu praktizieren ist sicherlich eine bewusste Entscheidung, allerdings eine Entscheidung die jeder Mensch zu jedem beliebigen Zeitpunkt für sich treffen kann.
Liebe Angelina,
als ich deine Überschrift gelesen habe hatte ich sofort den Gedanken: natürlich ist das möglich. Ich glaube sogar, es ist der natütlichste Zustand, den wir haben können. Ich bin immer wieder erstaunt, wie einfach es möglich ist, und auch, wie leicht wir uns mit unseren Gedanken da heraus katapultieren können. Mir hilft dabei die Natur am besten. Einfach raus gehen, ans Wasser setzen, die Pflanzen und Tiere wahrnehmen und beobachten, das bringt mich sofort in die Achtsamkeit. Liebe Grüße!
Ja, das geht mir auch so. Da wo es ruhig und unberührt ist, komme ich am besten wieder zur Ruhe und zu mir selbst. Ich denke viele Menschen finden ihre eigenen Kraftort in der Natur, sei es im Wald, auf einem Berg oder an einem See. Gut ist es, wenn man dieses Gefühl dann mit in den Alltag übernehmen kann.
Eine schöne Mini-Serie – vielen Dank, Angelina. Die 6 Praktiken aus Teil 3 finde ich alle sehr wirksam. Die Hürde, sein Leben mit kleinen Dosen Mono-Tasking, Genuss oder Wertschätzung zu würzen, ist leichter zu meistern als formale Meditation.
Liebe Christine,
vielen Dank für deine lieben Worte.
Ja, genau so solle es sein, Achtsamkeit als Teil des Lebens, nichts abgehobenes und nichts kompliziertes. Ich glaube dann kann wirklich jeder Mensch zum besten „selbst“ werden, dass er sein kann.
Herzliche Grüße,
Angelina